Sonntag, 2. Oktober 2011

Arusha, oder "Die Kunst des Busreisens"

In der Sekundary Technical School sind Herbstferien und ich hab diese Woche schon genug Kinder unterrichtet und somit fürs Leben verdorben, also beschließt Liz, einige irische Freunde in Arusha zu besuchen und packt mich kurzerhand ein. Entweder geht hier etwas sehr spontan, oder irgendwann mal, aber ohne Plan. So läuft das hier.


 
Pünklich am Donnerstagmorgen stehen Liz und ich am Straßenrand und der nächste Bus nimmt uns mit nach Mombo. Leider fährt er von dort weiter nach Dar und das ist die entgegengesetzte Richtung, in die wir wollen.

Mombo ist so etwas wie der Crosspoint, der Treffpunkt aller Straßen von und nach Moshi, Arusha, Nairobi in Kenia und Dar Es Salaam, Tanga usw. Naja, Treffpunkt aller Straßen ist dezent übertreiben. Ist eigentlich eine einzige Straße, die da durchführt. Nur die Abzweigung nach Lushoto kommt noch dazu. Ist eigentlich nur eine T-Kreuzung mit ein paar Standln, Tankstellen, Cafes und vielen, vielen Leuten, die darauf hoffen, den Touristen mit Informationen, die man auch ohne sie gleich bekommen würde, ein paar Schillinge abzuknöpfen.
Sonst ist Mombo eher uninteressant. Eine einzige riesige Bushaltestelle eben.
Alles gibt es in Arusha
Nun gut, Liz und ich steigen um und da wir gleich umschwärmt werden von sogenannten Vermittlern, die sich alle sehr um unsere weitere Zukunft sorgen und uns doch tatsächlich Sitzplätze in einem Bus nach Arusha um 40.000 Schillinge andrehen wollen, beschließen wir, zum ca. 1 km entfernten Liverpool Hotel zu gehen. Inzwischen hab ich ja meine Lektion gelernt, was überteuerte Bustickets angeht.
Im Liverpool Hotel ist hier Kurzstopp für die meisten Langstreckenbusse, Klopausenoase und Essenfassenplatz. Was wir noch wissen: Dort halten nur die Busse nach Süden, die Busse in den Norden halten wo anders. Doch wieder erweisen sich die Tansanier äußerst hilfsbereit, ein Bus, der vorbeikommt, wird kurzerhand mit Lautsprecherdurchsage zum Stehen gebracht und nimmt uns mit. Und da kostet das Ticket plötzlich auch nur mehr 20.000. Was es alles gibt!
Dafür ist der Bus so richtig gamprig, alles tscheppert und die gut gefüllte, goldbehangene Inderin neben mir hat auch schon länger nicht mehr Wasser aus der Nähe betrachtet. Aber macht nix, fällt kaum mehr auf, ich versuch mich zum Ausgleich ja auch nur mehr alle paar Tage zu waschen. Die sollen schließlich auch was von mir haben!
kaputto
Nach drei Stunden erreichen wir Moshi, eine Touristenstadt, denn von hier starten die meisten Kilimanjarobekraxelungen. Hier steigen auch viele Busreisende aus und ich wechsle zu Liz, neben der ein Platz frei wurde. Da sie aber – so wie ich zwischendurch – in einem halbkomatösen Zustand vor sich hindämmert, verläuft unsere Weiterreise eher schweigend – bis der Bus w.o. gibt.
Eine halbe Stunde vor Arusha geht auf einmal nichts mehr, der Bus verliert irgendeine Flüssigkeit in rasantem Tempo und wir steigen aus. Ist hier alles kein Problem, im nächsten Augenblick halten etliche Dala Dalas und Minibusse an, die immer noch Passagiere aufnehmen können. Ob nun 25 oder 35 Leute in einen 17-Sitzer passen, spielt ja wirklich keine Rolle.
Liz und ich kommen in einem Minibus unter und schaffen es doch tatsächlich, noch irgendwo unsere Beine zu verstauen. Der Fahrpreis ist natürlich trotzdem zu entrichten – was kann denn der Minibusbesitzer dafür, dass unser ursprünglicher Bus kaputt ist. Recht hat er! Und die umgerechnet 25 Cent können wir uns grad noch leisten.
Warten im Sonnenuntergang (und im Staub) auf den Bus
Mount Meru ohne Wolken geht gar nicht
Kurz vor der endgültigen Station steigen wir aus – nicht weil dieser Bus (auch wenn er so klingt) kurz vorm explodieren ist – sondern weil uns Aimonn und Moira, Liz Freunde, abholen. Sie wohnen etwas außerhalb des Stadtzentrums in einem wunderschönen Haus. Da sie schon mehr als zehn Jahre hier leben und arbeiten, haben sie sich ein gemütliches, wohnliches Heim geschaffen. Die erwachsenen Kinder wohnen irgendwo anders in der Weltgeschichte und so bekommen Liz und ich jeweils unser eigenes Gästezimmer. Wenn ich aus dem Fenster schaue, blicke ich direkt auf den Mount Meru. Wenn er sich nicht gerade hinter Wolken versteckt.
Den Preis, den man zahlt, um in einem
großen Haus zu wohnen
Moira kredenzt uns ein großartiges Abendessen, welches nach gefühlten 30 Hendln und 20 Bohnenstauden, die in den letzten beiden Wochen ihr Leben für mich lassen mussten, eine herrliche Abwechslung darstellt. Es gibt gegrillte Würstchen,  gefüllte Tomaten, Mischgemüse, Salat (!!!) und Caramellpudding. Dazu wird gemütlich gequatscht. Da ich aber von der fast 8stündigen Busreise ziemlich k.o. bin und mich auch das konzentrierte Zuhören – um den irischen Akzent zu vertehen – ziemlich schlaucht, tauch ich bald ein ins Land der Träume. In einen frisch duftenden Polster.
Am Freitag geht es nach selbstgemachtem Vollkornbrot mit Honig und einer Runde Tai Chi im benachbarten Nonnenklostergarten mit Moira in die Stadt. Wir lernen einen kleinen Markt kennen, für den sich mehrere Bauern in einer Kooperation zusammengeschlossen haben, sich untereinander absprechen und die unterschiedlichsten Gemüse- und Obstsorten anbieten. Leider ist dieser Markt hier eine Ausnahme, meistens baut jeder das gleiche an und so sieht man hier kaum Variationen. Überall sonst beschränkt sich die Auswahl auf Tomaten, Kartoffel, Karotten und Zwiebel.
Ein wunderschöner Jakaranda Tree,
der vor allem während der Trockenheit blüht
Das "Wahrzeichen" von Arusha,
der Clocktower
Später machen sich Liz und ich auf die Suche nach Automaten, die uns gegen das kurze Überlassen einer Plastikkarte Papierrechtecke mit Farbe drauf schenken. Im sogenannten Bankenviertel ist das gar nicht so einfach, denn entweder waren schon Touristen vor uns da und haben die Tresore geplündert und uns nichts übrig gelassen, oder die Automaten wollen nur eine ganz bestimmte Art von genannten Karten, die ich ihnen nicht bieten kann. Schließlich werden wir aber doch fündig und in einer fanatischen Automatenbelagerungsaktion räume diesmal ich ordentlich.
Dennoch ist es bemerkenswert, um wie viel mehr Geldautomaten es im Vergleich zu vor vier Jahren gibt. Auch Nebenstraßen, die bei meinem ersten Aufenthalt in Arusha noch sandige Buckelpisten waren, sind jetzt gepflastert.
Rushhour
Ich erfahre, dass Arusha eine boomende Stadt ist und bereits 300.000 Einwohner hat. Dementsprechend massiv hat auch das Verkehrsaufkommen zugenommen und Rush Hour ist nun fast den ganzen Tag.
Trotzdem gefällts mir hier genauso gut wie vor vier Jahren. Das ist meine Stadt!
Liz beim Handeln
Auf dem Massai Markt versuche ich Liz das Handeln beizubringen. Bisher hat sie sich strikt geweigert und entweder die überhöhten Preise gezahlt oder sie hat empört das Geschäft oder den Stand verlassen.
Sie schlägt sich ganz tapfer, ist aber bald sehr erschöpft. Mir gefällt es, dass mich alle paar Meter Verkäufer ansprechen. So kann ich – selbst wenn ich nicht an deren Waren interessiert bin – mein Kiswahili üben. Nach fünfzehn Wiederholungen innerhalb fünf Minuten beherrscht man dann doch jede neue Phrase perfekt.

Das neue Therapiezentrum
Im Laufe des Nachmittags und des nächsten Vormittags lerne ich noch mehr irische Landsleute kennen, die alle – so wie Liz – über die irische Organisation VMM – oft schon mehrere Jahre – hier arbeiten. Viele sind Lehrer, wir treffen auch Clare, eine sehr engagierte, 67 jährige Physiotherapeutin, die zusammen mit einem irischen Pfarrer mitten in den Slums von Arusha ein Schulungszentrum, eine Sporthalle und – ganz neu – ein Physiotherapiezentrum für Kinder und Erwachsene mit Behinderungen aufgebaut hat. Für letztgenannte Personengruppe gibt es von staatlicher Seite überhaupt keine Unterstützung. Meist werden Kinder, die mit einer oder mehreren Beeinträchtigungen auf die Welt kommen, von der Familie versteckt, weil es als Strafe Gottes angesehen wird, „so“ ein Kind zu bekommen.
Computerschulungsraum mit
gespendeten Flachbildschirmen
Clare bildet einerseits Physiotherapeuten aus und hält Therapiesitzungen und geht andererseits immer wieder von Haus zu Haus, nur um Familien zu überzeugen, sich mit ihren Angehörigen vor die Türe und zum Zentrum zu trauen. Und das oft auch am Wochenende.  Für mich ist sie eine sehr bemerkenswerte Frau, die unendlich viel Energie zu haben scheint.



Auch Liz und ich besuchen das Zentrum, bekommen eine persönliche Führung und spazieren durch die Slums, in denen es tagsüber hektisch zugeht und die Leute uns freundlich grüßen. Es wird aber dringend davon abgeraten, hier nach Einbruch der Dunkelheit herumzulaufen.
Kleidermarkt
Am Nachmittag tauche ich ins Stadtleben ein, während Liz im Cultural Heritage eine Ausstellung besucht. Ich möchte die Stadt hautnah fühlen, auf dem Markt nach cooler Second Hand Kleidung suchen (ich sehe in der Entfernung einen Mann mit einem Johaneum Research T-Shirt), mit den Leuten quatschen und endlich mit dem Dala Dala heimfahren. Bisher hat Liz immer auf ein Taxi bestanden oder wir wurden abgeholt.


Im etwas versteckt gelegenen, von Tourist und Einheimischen gleichermaßen besuchten „Via Via „ mach ich mit einem Riesensalat Mittagspause.
Leider will der Akku meiner Kamera nicht mehr mitmachen und ich falle um ein paar interessante Aufnahmen um.
Straßenkunst?
Ich treffe zufällig auf zwei deutsche Volunteers und wir gehen gleich mal einen Kaffee trinken, Erfahrungen und Tipps austauschen. Im riesigen Supermarkt Shoprite kaufe ich Apfelstrudelkeks, teure Schoko für die kitchen ladies daheim und Konyagi, einem schnaps/ginähnlichen Nationalgesöff.
Mit dem Tansanier Brian quatsche ich über Politik, Universum und Malfarben, als wir über durch den Markt streifen. Und zu guter Letzt fahre ich mit dem Dala Dala heim. Wir stehen nur 10 Minuten in der Dala Dala Station, dann wird auch schon losgefahren. Hier sei anzumerken, dass ein Dala Dala erst fährt, wenn es gut besetzt ist, also die 13 Plätze dieses VW Bus großen Gefährts mit mindestens 25 Leuten belegt ist. Während dieser Fahrt liegt ein Kind quer über meinen Schoß, weil es sonst nirgends mehr Platz hätte und ich lerne alle 85 Klingeltöne der Frau neben mir kennen. So macht Tansania Spaß.
Abends wird Liz Geburtstag nachgefeiert und der Konyagi mit Tonic Water fließt reichlich. Wieder hat Moira in der Küche aufgetrumpft.
Im Großen und Ganzen bin ich beeindruckt von der Gastfreundschaft der beiden. Sie kennen mich gar nicht und nehmen mich mit so viel Herzlichkeit bei sich auf. Ich hoffe nur, ich kann mir ein Stück davon abschneiden und mit nach Hause nehmen.

Die ganze Nacht schüttet es wie aus Eimern und ich freu mich für die Menschen hier. Seit Monaten wird sehnlichst auf den Regen gewartet, alles ist staubtrocken und die letzte Ernte diesen Sommer ist auch nur sehr karg ausgefallen. Die kurze Regenzeit jetzt im Herbst wird dafür verwendet, die Felder fürs Frühjahr zu präparieren und ist dringend notwendig.
a way of transportation
Am Sonntag bringen uns Aimonn und Moira zum Bus Ticket Büro. Liz und ich gönnen uns für die Heimfahrt die Luxuslinie Dar Express, die statt der üblichen 8€ ca. 14€ für die sechsstündige Busfahrt verlangt. Dafür hab ich meinen eigenen, vorreservierten Sitzplatz, niemand steht im Gang neben mir und drückt mir seinen Rucksack ins Gesicht, es werden Getränke verteilt und wenn man so großes Glück hat wie ich, verfügt der Bus über einen Bildschirm, auf dem stundenlang schmalzträchtige Gottesanbetungsmusikvideos gezeigt werden. Möglichst laut, damit die letzte Reihe auch was davon hat. Schließlich ist Sonntag!

Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als wie Liz auch in diesen Busreisekomazustand zu verfallen und als die Temperatur im Bus stolze 34 Grad erreicht, gelingt es mir dann auch.
In Mombo angekommen lassen uns die Touristenjäger in Ruhe. Die erkennen scheinbar schon von weitem, dass sie mit uns heute nicht das große Geld machen.
Wir erklimmen einen Minibus, in dem wir mit Müh und Not noch zwei Stehplätze bekommen. Die volle Beladung zahlt sich aus, der Bus quält sich regelrecht die Höhenmeter die enge und kurvenreiche Straße hinauf. Alle zehn Minuten steigen Busfahrer und Ticketkassierer aus, um mit leeren Plastikflaschen Wasser von den Bächen zu schöpfen und als Kühlflüssigkeit nachzufüllen. Aber irgendwann erreichen wir dann doch Lushoto.
Und wenn die Bäche genug Wasser führen, fährt der Bus auch heute noch.

1 Kommentar:

  1. der war/ist immer sehr hilfreich und stimmt zumeist auch zu 75 % :-)

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    vielleicht kannst du ihn ja noch brauchen.

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