Samstag, 8. Oktober 2011

Küsse, Kreisverkehr und Kulinarik

Öffentliches Klo
Nach drei Wochen stationärer Moskitobekämpfung und Hämatomzüchtung ist es an der Zeit, Euch mal was von „tagsüber“ und „dies und das“ zu berichten.
Über meinen Alltag kann ich Euch (noch) nicht viel erzählen, denn in diesen drei Wochen hier hat sich noch kein großartiges Tätigkeitsfeld für mich abgezeichnet.  Hab keine armen Waisenkinder adoptiert, die Schulkinder wissen jetzt zwar, was im Wasser schwimmt und was untergeht, aber die Gleichberechtigung der Frauen liegt hier weiterhin auf Eis, bzw. im Regen. (Wir haben hier grad die „kleine“ Regenzeit. Was heißt, es regnet hier an einem Tag diese Mengen runter, wie in der dürren Steppengegend 20km entfernt einmal im Jahr.)
Wird sich aber hoffentlich alles ein bisschen diese Woche klären. Spätestens jedoch nach meinem ersten „Urlaub“ hier in drei Wochen. Den hab ich dringend nötig!
Und Ideen gäbe es ja auch schon.

 


Dekotipps fürs Bad
Aber davon wollt Ihr jetzt noch nichts hören, stimmts?
Ihr wollt über Skurriles, Fremdartiges lesen. Hab ich Recht?
Wusste ich es doch!
 Na, dann erzähl ich Euch von ein paar kleinen Erlebnissen und Erfahrungen:
Skurril ist eigentlich jeder Tag. An jedem Tag passiert mindestens einmal etwas Ungewöhnliches oder Neuartiges für mich. An jedem Tag gibt es wieder irgendwas zu hinterfragen oder einfach zu belächeln. Ganz ohne ein Urteil zu fällen oder Kritik zu üben. Einfach so, weil es so anders ist.
Die Mzungu und das Rad
Meine Jessica und ich!
Da borg ich mir doch immer, wenn ich ins ca. 3km entfernte Zentrum fahren will, beim Fahrradhändler meines Vertrauens ein Fahrrad aus. Wir einigten nach einigem Verhandeln auch 500 TSH/Stunde, also umgerechnet 22 Cent, dafür verspreche ich ihm, Stammkunde zu werden.
Das Rad ist einwandfrei: Die beiden Reifen verfügen über Luft und sogar die Rückbremse funktioniert. Was braucht man auch mehr?
Ja und dann radelt da diese Mzungu mit dem Rad dahin. Ein Spektakel ist das! Für mich, weil ich noch immer nicht ganz im Hirn eingebrannt hab, das hier Linksverkehr herrscht. Und weil hier das Recht des Stärkeren gilt, was also heißt, ich stehe mit dem Rad noch immer über den Fußgängern, die mir gefälligst Platz zu machen haben. Das will ich ihnen auch dringend raten!
Eine Seltenheit: Asphaltierte Straße
Und für alle anderen, denn eine Weiße und Frau, die sich mit dem einzigen Gang und dem viel zu niedrig eingestellten Sattel den Hügel raufkämpft, sieht man auch nicht alle Tage. Leider muss ich mit beiden Händen den klapprigen Lenker festhalten, sonst könnt ich den ganzen Mzunguschreikindern zuwinken. Aber wenigstens vor mich hin grinsen kann ich hinsichtlich der – für die Tansanier – scheinbar sehr kuriosen Situation.
Karibu trallala
Großer, toter (ungiftiger) Miliped
Was anderes –anfangs sehr kompliziertes –jetzt bereits ganz normales, ist das Begrüßungsritual, das man über sich ergehen lassen muss, egal ob man will oder nicht. Gehört dazu. Hilft nix!
Der Einfachheit halber wird hier eine typische morgendliche Begrüßungssituation mit Person A und B dargestellt. Und ja, das wiederholt sich mit allen so. Jede anwesende Person hat das Recht und die Pflicht, da mitzumachen:
Person A:  Jambo! (Hallo!)
Person B: Jambo!
Person A: Habari asubuhi? (Was gibs Neues am Morgen/heute Morgen?)

Kaffeeausflug mit Liz,
Julie und James
Person B: Nzuri! Habari yako? (Gut! Was gibt’s Neues bei Dir?)
Person A: Salama! Karibu! (Gut! Sei willkommen!)
Person B: Asante sana! (Danke!)

Person A: Karibu sana! (Sei sehr willkommen!)
Person B: Asante sana! (Danke sehr!)
Das ist bitte nur die Kurzform! So eine Begrüßung kann sich ausdehnen und man verdurstet förmlich neben dem Kaffeehäferl.
Begrüßt werden alle und jeder. Führt dazu, dass ich am Markt mit gesenktem Haupt herumlaufe, denn sonst komm ich nie ans Ziel. Ein unbedachter Blick in die Augen eines Standbesitzers und 5 Minuten des Lebens sind dahin…
Die Sache mit dem Küssen
Tansanier und Küssen, diese Kombi gibt es noch nicht lange. Küsse waren bis dato eher unbekannt, erst die Jugend kommt durch den Konsum von westlichem Fernsehen darauf, dass es so etwas gibt und man es auch praktizieren kann – wenn man weiß, wie es geht.
Magamba Urwald
Nicht nur einmal wurde bei mir angefragt, ob ich denn wisse, wie Küssen funktioniere und ob ich es den jeweiligen Herrschaften nicht beibringen könne. Anfangs war ich etwas perplex hinsichtlich der sehr klaren, direkten Ansprache. Ist das eine billige Anmache? Oder stehen besagte Männer auf mich?
Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass Küssen mit keinerlei Gefühl in Verbindung gebracht wird, eher mit einer neuen Bewegungsart, einer neuen Handlung, die eben im Westen modern zu sein scheint. So etwas gehört auch ausprobiert, wie eben ein Handy oder ein cooler Tanzschritt. Also warum nicht jemanden fragen, der Bescheid zu wissen scheint, wie das geht.
Wer weiß, vielleicht ein neuer "Entwicklungshilfe" Zweig?

Das liebe Handy
Katzenentzugsersatzdroge
Ein Tansanier ohne Handy ist wie ein Fisch ohne Wasser. Nicht überlebensfähig! Jedes noch so kleine Gemüsestandl bietet Handyguthaben (Vocher) an. Jeder noch so unbezwingbar aussehende Felsen ist mit mehreren Handymasten bestückt. Sogar bezahlt werden kann mit unverbrauchten Handyguthabenkarten. Und ältere Kinder, die Weiße anschnorren, fragen manchmal gar nicht mehr nach Geld, sondern nach „Vocher“.

Umso seltsamer mutet das Telefonieren mit dem Handy an. Da gibt’s auf einmal keine langatmigen Begrüßungsrituale mehr.
Hier ein nachempfundenes Beispiel eines längeren Telefonats:
Telefon läutet.
Person A: Eh?
Person B antwortet genauso ausführlich.
Person A: Ah!
Person B antwortet genauso ausführlich.
Person A: Je! Ah!
Und damit ist das Gespräch vorbei.
Dieses Gespräch hat dem Anrufer umgerechnet wahrscheinlich 0,005 cent gekostet. Wofür also überall Handyguthabenverkäufer? Warten die bei diesen ausführlichen Gesprächen aufs Geschäft ihres Lebens?
Die Polizei und der Kreisverkehr
Keine Stadt braucht was auf sich zu halten, wenn sie nicht mindestens eine Kreisverkehr hat. Es spielt keine Rolle, wie viele Straßen in diesen Kreisverkehr münden. Manchmal sind es halt eben nur zwei.
Wir in Lushoto sind priviligierter! Bei uns gibt es drei Straßen, die der Kreisverkehr bedient. Dass eine der drei nur zu irgendeinem Hotel führt, muss ja hier nicht erwähnt werden.
Wo ein Kreisverkehr, da Polizisten. Denn wer soll sonst darauf schauen, dass nicht einfach grad drübergefahren wird, sondern brav im Kreis? Und diese 1- 3 Polizisten sitzen da den ganzen Tag und beobachten Kreisverkehrbenützer. Oder quatschen mit den umherstehenden Personen. Oder winken schon mal den einen oder anderen Kumpel durch, damit dieser nicht im Kreis zu fahren braucht.
Der Mensch braucht Routine
Zumindest beim der Essensaufnahme.
Ich esse meistens im Hostel.
Broccoli wächst hier in den Himmel
Fünf hinreißende wie bissige kitchen ladies kümmern sich um das Wohl von uns vier Hostelbewohnern, Father Diomedi, F.F., Rogers und mir. Und sie geben sich alle Mühe, muss ich zugeben, denn die Tansanische Küche ist nicht gerade berühmt für ihre Abwechslung und ihren Ideenreichtum.
Dank Sharifa, Fatuma, Monica, Mary und Lucy gibt es immer wieder Neues und Unbekanntes aus der lukullischen Welt.



Ausnahmsweise mal fritiertes Hendl
und Palatschinken.
Eine seltene Kombi.
So haben wir an einem Tag frittiertes Hendl mit Reis und Bohnensauce und Gemüse-Tomatensauce.
Zum darauffolgenden Dinner ergötzen wir uns an frittiertem Fisch mit Reis und Bohnensauce. Zur Abwechslung gibt’s eine Gemüse-Tomatensauce.
An anderen Tagen haben wir selbstgemachte Pommes, die zu frittiertem Hendl dazu gereicht werden und wenn Mungu will, gibt es auch Palatschinken zu Reis und Pommes und frittiertem Viech.
Der Ugali, dieses weiße, unförmige, geschmacklose Ding bestehend aus Maisbrei passt gottseidank hervorragend zu Bohnensauce und Gemüse-Tomatensauce. Manche essen auch Reis dazu. Den gibt es aber leider nur täglich und nicht öfter!
Wenn meine Verdauung mal wieder streikt, kann ich immer noch zu selbstgemachten Pommes greifen. Lass ich das andere frittierte Zeug halt weg.
Skurril?
Ist doch eh alles logisch, oder?

2 Kommentare:

  1. Ach, ich freu mich ja schon so auf mein erstes, frittiertes Frühstück :-)

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  2. doch, hätte mich schon sehr interessiert, deine erfahrungen mit deinem job-umfeld, sehr sogar, weil genau dieses setting für mich vollkommen undenkbar wäre. naja, vielleicht kommt es ja wirklich noch :-)

    und die airtime-dealer sind deswegen so zahlreich, zumindest im mtn-bereich (provided mtn in tanzania?), weil die den dealern kredit geben und die provisionen, zumindest in uganda/rwanda gar nicht so übel waren. nochdazu ist der ladbare betrag minimal (ich kann mich so an eur 0,50 bis eur 1,00 erinnern).

    noch kurz, vielleicht kannst du das beim nächsten einkaufstrip brauchen: http://www.mastercard.us/cardholder-services/atm-locator.html

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