Donnerstag, 20. Oktober 2011

Der Duft der Schlangenkotze

Die Schönen bei der
schönen Aussicht
Die Fliegen besetzen hartnäckig jeden Zentimeter des geblümten Plastiktischtuchs und ich frag mich, warum. 
Sind doch keine Krümel, Colareste oder ähnlicher Festschmaus sichtbar. 
Als dann der Restaurantinhaber (so nennt man hier den Besitz einer aus Hozbrettern zusammengezimmerten Bar, ein paar Plastiksesseln und -tische und eines Fernsehers, der keine Lautstärkenregelobergrenze besitzt) mit einem - farblich nicht näher definierbaren - Fetzen sorgfälltig über das Tischtuch fegt, versteh ich die Motivation die Fliegen.


 
Ich sitze in Mombo und warte auf den Bus, der mir Eva aus dem fernen Dar Es Salaam bringen soll.




Menschliche Ladung
Wie auf Bestellung gibt es heute strahlend blauen Himmel und Hitze und ich wette, Eva wird mir nie glauben, dass ich die letzen zwei Wochen Schrumpelzehen unter dicken Wollsocken getragen habe.

Naja, dafür gibts immer noch kein Wasser (aus der Leitung). Was wünscht man sich für eine Besucherin mehr, als sie möglichst schnell dem tansanischen Life Style näher zu bringen.



Markttag in Soni
Dann ist sie da, die Freundin, wird von mir in den Land Rover gepackt und rein ins Gebirge gekarrt, macht im Hostel die erste Bekanntschaft mit Pfarrer, Reis und Bohnen, Katzen und wasserlosen Toiletten, bekommt eine Kurzführung über das Gelände, trinkt Konyagi, blickt vom Irente Viewpoint in die Ferne (anfangs eigentlich nur ins Weiße des Nebels, der sich aber gnädigerweise zurückzieht), kann sich beim Volleyball über die Egoisten dort ärgern, lernt in kurzer Zeit das Begrüßungsritual auswendig, versucht sich im Local Pub im Boha trinken und darf zumindest in einer Liebesbekenntnis eines stockbesoffenen 60jährigen schwelgen.


So erlebt man Afrika richtig. Nicht in einem Jeep zwischen denn Löwenrudel.
Na gut, dort auch, aber eben anders.


Ziegel"fabrik"
Zwei Tage später startet unser Hiking Trip, der ursprünglich als Viertagestour geplant war, dann aber aus praktischen und hygienischen Gründen in zwei Zweitagesgeschichten aufgeteil werden.



Unser Guide Msafiri (tansanisch: Der Reisende) findet uns frühmorgens irgendwann doch am vereinbarten Treffpunkt und wir fahren mit dem Bus nach Soni. Dort shoppt er gleich mal ordentlich für unser Lunch. Ich muß aufs Klo und darf gegen eine Gebühr von ca. 8 Cent ein privates Erdloch benutzen.

Schulkinder müssen Brennholz
zur Schule mitbringen
Dann würden wir gerne ein Dala Dala ins 1,5 Std. entfernte Bumbuli - dem Ausgangspunkt unserer Wanderung - bekommen, nur fährt grad keines.

Also keuchen und schwitzen wir bei gut 30° die Straße bergauf, jedes Motorgeräusch von hinten lässt Hoffnung aufkeimen, die sich beim Vorbeiklappern des jeweiligen Privatfahrzeugs in Staub und Schweiß auflöst.


Mazumbai Urwald: Gerade aus!
Gegen Mittag haben dann ein Minibusfahrer und deren Insassen Erbarmen mit uns und es lassen sich gemütliche Stehplätze für uns finden. Die Reisenden kommen aus dem Flachland Tanga und waren noch nie in den Bergen unterwegs und der Angstschweiß steht ihnen ins Gesicht geschrieben.
Zu unserem Glück hat auch der Busfahrer selbst Angst und fährt dementsprechend vorsichtig die rumpeligen Bergstraßen entlang.
 
 
 
Msafiri "kocht" Lunch
Wir erreichen Bumbuli und wandern bergauf, bergab durch kleine Dörfer, vorbei an Schulen, vielen Feldern und "Wazungu" plärrenden Kindern. Unsere späte Lunchpause halten wir dann am Rande des eigentlich Beginns des Mazumbai Nature Reservates, einem kleinen, geschützten und touristisch noch nicht so erschlossenen Urwalds, den es heute zu durchqueren gilt.




Botanik I
Und darin kommen wir uns wirklich vor wie diese brasilianischen Superbiologen aus "Universum", die irgendwo ausgesetzt im Amazonasgebiet neue Tierarten entdecken.

Wir entdecken nicht mal die Kolobusaffen und Chamäleons, die es hier häufig zu finden geben soll und bei jedem undefinierbaren Geräusch, rufe ich aufgeregt "Was für eine Affenart schreit da?" Unser Guide meint dann immer: "Kein Affe sondern Vogel!" 
Also fast Superbiologe!




Botanik II
Die Wildnis ist atemberaubend schön. Bis auf einen - fast unsichtbaren - Pfad gibt es hier keinerlei menschlicher Eingriffe, die unterschiedlichsten Gras-, Busch-, Blumen-, Farn-, Lianen- und Baumarten machen sich gegenseitig Platz streitig und das alles in Riesendimensionen. Farne erreichen eine Höhe bis zu 10 - 15 Meter , uralte Baumriesen beeindrucken mit 2m breiten Baumstämmen und wo es Platz zum Wachsen gibt, wächst etwas.
Wir sehen kleine Palmen oder andere Pflanzen aus Astgabelungen hoher Bäume wachsen und erfahren, dass hier Vögel ihre Ausscheidungsprodukte samt Samen jeweiliger Pflanzen hinterlassen haben.


Trinkwasservorratsbehältnis
einer Spinne
Wir schlürfen durchs Gebüsch, steigen über oder kriechen unter umgestürzte Baumstämme, überspringen Bäche und klettern über kleinere und größere Felsen.
Die Vegetation ändert sich laufend, mal ist es sumpfig und Farne nehmen überhand, mal befinden wir uns in dichtem Waldgebiet mit riesigen, mit Flechten übersähten Bäumen.
Und immer wieder schreien die Affen. Nein, Vögel. Tschuldigung.



Botanik III
Unter wie vielen Grünen Mambas (eine der giftigsten Schlangen der Welt), die hier auf den Bäumen lebt, wir durchgehen, werden wir dankenswerterweise nie erfahren.



Plötzlich bleibt Msafiri stehen und schnüffelt auffällig geräuschvoll mit erhobener Nase in der Luft. Wir starren ihn etwas verwirrt an, als er fragt: "Riecht ihr das auch?" Dann schnüffelt wieder.
Wir schnuppern mit, aber außer Wald, Moos und einem etwas modrig, schimmligen Geruch, der morsches, feuchtes Holz ausströmt, kann ich nichts besonderes erkennen.

Botanik meet Agrar

Aber gut, ein olfaktorisches Talent war ich noch nie. Ich kann von weiten nur erkennen, ob sich jemand seit Tagen nicht geduscht hat und wer wo gerade was genau isst. Nicht mehr oder weniger, als man braucht, um zu notdürftig zu überleben.




Student House in Mazumbai
Bevor ich aufgrund Hyperventilation durch die Nase zusammenbreche, löst Msafiri das Rätsel auf: "Man riecht, dass hier kürzlich eine Schlange gekotzt hat!"
Aja!
Hätt ich als Fastsuperbiologe eigentlich erkennen sollen!
Sowas Alltägliches!



Den guten Usambarakaffee
gibts hier kaum zu kaufen
Es wird Abend und plötzlich finden sich an der Waldgrenze wieder kleine Felder. Wir erreichen das Dorf Mazumbai. Hier endet der geschütze Wald und wie gerufen tauchen hoch in den Wipfeln der letzten Bäume eine Horde Kolobusaffen auf. Da sie verbotenerweise gejagt werden, bleiben sie weit entfernt und machen sich schnell aus dem Blattwerk, als sie uns wittern.

Hier begegnen wir auch wieder Menschen. Im gesamten Wald waren wir unter uns, nur beobachtet von Augen der zoologischen Spezies.



Die Frauen arbeiten, während sich
die Männer vom Zusehen
erholen
Wir bekommen ein hübsches Zimmer im Student House, das der Sokoine Universität in Morogoro gehört, um Forschungen im Wald durchzuführen. Heisses Wasser gibts aus einem Kübel, Moskitonetze sind hier nicht notwendig und im offenen Kamin wird Feuer gemacht.


Hier treffen wir auch auf Vanessa und Hannah, zwei deutsche Jung- (oder Bald-) doktorinnen, die in Dar Es Salaam ein Praktikumshalbjahr machen und verbringen ein unterhaltsames Abendessen mit ihnen, Msafiri und Abu. Banana Beer und Kaminfeuer inklusive.

Als Chamäleon getarnte Blätter Nr. 17
Nach einem gemeinsamen Bananenpalatschinkenfrühstück verabschieden wir uns und gehen einen anderen Weg - anfangs durch den Mazumbai Forest, später wieder quer über Anbaugebiet und durch abgeschiedene Dörfer - nach Kwalei.


Und hier verhalten sich die Menschen, denen wir unterwegs begegnen, ganz anders gegenüber uns Weißen.
Viele sind neugierig, wenige etwas ängstlich, aber alle sind freundlich, freuen sich riesig über unsere paar Brocken Kiswahili und vor allem die Kinder lassen sich gerne fotografieren, ohne Gegenleistung zu erwarten.

Dorfstraße
Dass sie das Bild dann am Display betrachten können, verursacht viel Gelächter und Freude und ich verspreche mehrmals, die Bilder auszudrucken und ihnen zukommen zu lassen. Msafiri weiß, wo er sie findet und wird sie auf seiner nächsten Tour mitnehmen.








Und hier sehen wir auch eine grüne Mamba. Nicht auf einem Baum, sondern unweit ein paar Hütten auf einer Wiese, wo sie von aufgeregten Kindern mit geworfenen Steinen vertrieben wird.
So schnell, wie sie sich ver-kriecht, ist der Fotoapparat nicht gezückt. Hätte sie vorher aber gekotzt, ich hätte sie sicher früher bemerkt!


Idyllisches Lunchplatzerl
Am späteren Nachmittag erreichen wir Kwalei. Hier gibts wieder eine Straße und somit auch vereinzelt Autos. Und das ist gut so, denn als wir unser Guest House, in dem wir heute übernachten sollten, in Augenschein nehmen, sind wir nicht gerade hellauf begeistert.
Die Sauberkeit, so wie ich sie verstehe und die Sauberkeit, wie sie im Hostel vorzufinden ist, sind ja schon mal etwas unterschiedlich zu sehen.
Aber wer immer dieses Guest House reinigt, hat eine außergewöhnlich kreative Vorstellungskraft.


Abendstimmung in Kwalei
Kurz zusammengefasst: Die Bettlaken und Pölsterüberzüge machen nicht den Eindruck, als wären sie in den vergangenen Jahren mal mit Waschwasser in Berührung gekommen.
Wir hätten zwar in unseren Sommerschlafsäcken, die wir brav mitschleppen, etwas Schutz vor diesen bestialischen Kopfkissenbakterien, aber irgendwann in der Nacht kann es ja doch passieren, dass eine Wange mit genanntem Fleckensammelsurium in Berührung kommt. Nicht auszudenken!


Abendessen in Kwalei ;-)
Außerdem würden für eine Nacht in dieser Luxusabsteige mehr bezahlen, als der Fahrer eines Pick ups mit Zuckerohr auf der Ladefläche als Transportpreis für eine Fahrt nach Soni verlangt hätte und so fällt uns die Entscheidung nicht schwer, die Nacht doch lieber in meinem hübschen - weil mit Bananenblattflechtteppich ausgestatteten - Zimmer mit heißer Dusche zu verbringen und dann morgen frisch duftend und nur mit unseren eigenen Bakterien übersäht die Tour fortzusetzen.

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