Mittwoch, 21. September 2011

Ankommen - Teil 2

Ein Teil von Lushoto

Verdammt, die Schürfwunde am Knie eitert etwas. Da setzt man sich beim Volleyball einmal richtig ein und schon hat man weniger Chancen bei „Austrias Next Topmodel“. Das Leben ist schon unfair.


Dafür habe ich heute meinen ersten Kanga erstanden. Auf Kiswahili geordert, nach dem Preis gefragt und dann auch noch das Umnähen bestellt. Jaja, ich gebe ja zu, dass ich vorher einen Blick ins „Kauderwelsch Kisuaheli“ Buch gemacht hab, aber nur mehr ein bisschen.
Das wird mein Kanga
Und ich hab das bekommen, was ich gewünscht hab. Und die Frauen an dem Stand haben wirklich kein Wort Englisch verstanden.
Gekostet hat mich der Stoff und das säumen lassen umgerechnet € 3. Da hat mich der Tetrapack Guavesaft gestern mit € 1 im Verhältnis dazu ja direkt ein Vermögen gekostet.
Zur Feier des Tages leistete ich mir auch noch zwei pilipili hoho (Paprika) und zwei Dosen hochtoxischen Insektenspray fürs Zimmer. Wenn ich wieder mal schlecht schlafe…
Aber jetzt wollt Ihr sicher wissen, wie es an meinem Anreisetag weiterging:
Zu allererst lerne ich mal meine Kontaktperson Father Francis kennen. Er ist von Anfang an sehr freundlich und fürsorglich, allerdings scheint er etwas überrascht, dass er meine Kontaktperson sein soll. Zugeben würde er das natürlich nach allen afrikanischen Kommunikationsregeln natürlich nicht! Da gibt’s kein „Ich weiß nicht.“
Mir werden gleich mal alle Köchinnen vorgestellt. (Ich weiß bis heute nicht, ob es jetzt fünf oder sechs sind. Aber das ist hier nicht so genau!) Diese Damen sind jedenfalls für das leibliche Wohl aller Hostelbewohner zuständig und auf Wunsch dürften sie auch meine Wäsche waschen und mein Zimmer putzen, was aber bisher noch nicht nötig war.
My room with a view
Dann bekomme ich im Parterre des Hostels mein Zimmer mit der Nummer 11. Es ist sehr einfach eingerichtet, aber wirkt oberflächlich sauber. Was mir aber zu schaffen macht, ist die Dunkelheit. Das Fenster zum Innenhof wird von einem Stiegenaufgang beschattet und ich weiß, dass ich da drinnen langfristig depressiv werde.
Kurzfristig bin ich aber auch schon am Ende meiner Kräfte und Nerven und ich heul mal eine Runde. Hauptsächlich aus Erschöpfung und Schlafmangel.

Nachdem ich mich wieder beruhigt habe, bitte ich um ein anderes Zimmer und bekomme sofort das Zimmer daneben. Zimmer 12 soll also meine Heimat für die nächsten sechs Monate werden!

Das hat im Gegensatz zum ersten Raum ein Doppelbett und eine wärmere Beleuchtung – wenn man das von einer nackten Glühbirne überhaupt behaupten kann. Und der Blick aus dem Fenster wird nicht von einer Mauer verstellt.
Ja, wir empfangen "Sky"
Während ich das wichtigste auspacke, wird mir ein „kleiner Snack“ zubereitet: Chicken (wahrscheinlich frittiert) und Pommes (sicher frittiert). Geschätztes Gewicht dieser Speise: 1,5 kg.
Na, das kann ja heiter werden, wenn alle Speisen so aussehen. Dann reicht bald nicht mehr nur eine Kanga, dann muss eine Plane herhalten.
Zurück im Zimmer macht sich ein schwerer Kloß im Hals bemerkbar, ich fühle mich unendlich einsam und habe große Sehnsucht nach dem Herzallerliebsten. Dieser Kloß wächst, als das Handy meint, dass ich den Netzempfang von der in Mombo entstandenen Simkarte (die hier übrigens € 1 kostet) doch bitte lieber vergessen könne. So ist der Herzallerliebste kaum zu erreichen.
Hostelkätzchen beim ersten Ausflug
Father Francis rettet mich und bietet mir an, mir ein bisschen die Gegend zu zeigen und mit mir dann ins Zentrum von Lushoto zu fahren, um die Simkarte eines anderen Anbieters zu erstehen und Tansanische Schillinge zu beheben. Ich bin heilfroh darüber, denn ich brauche entweder Schlaf oder Ablenkung gegen den Kloß im Hals und für ersteres ist es definitiv noch zu früh.
Ins Zentrum von Lushoto fahren wir mit dem Pick Up. Kein Tansanier, der ein fahrtüchtiges Auto oder Moped  besitzt, würde die drei Kilometer zu Fuß gehen, obwohl das Benzin zur Zeit mit ungefähr 1€/Liter ungemein teuer ist. Dass sich die Rosminian Brothers einiges mehr leisten können, als ein Durchschnittstansanier wird schon an der Anzahl der Autos, der Angestellten, der Größe des eigenen Areals usw. ersichtlich.
Dann die Ernüchterung und der Punkt, der mein inneres Fass zum Überlaufen bringt. Der einzige Bankomat hier ist kein „richtiger“ ATM und akzeptiert weder externe Bankomatkarte noch Kreditkarte. Außerdem ist immer noch Sonntag und selbst weit weg von Österreich haben da die Banken geschlossen, also ist niemand drauf scharf mir für meine Dollar Tansanische Schillinge zu geben.

Father Francis hat dann aber Mitleid mit mir und kauft mir eine SIM Karte und ein paar Guthabenkarten. Und schon schaut die Welt wieder besser aus.

Im Nachhinein betrachtet ist es erschreckend, dass die „Kleinigkeit“, den Herzallerliebsten nicht gleich erreichen zu können – der sogenannte Faden, der mich mit der Heimat verbindet – so einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden haben kann. Man braucht kaum Schlaf, kann auch einige Zeit hungrig durch die Welt ziehen. Aber trotz vieler freundlicher, hilfsbereiter Menschen um mich herum keinen Kontakt zu seiner Heimat, zu seinen Wurzeln aufbauen zu können, wenn man das Bedürfnis danach hat, macht mich unendlich einsam und verletzlich. Dass all die Leute da hinter den Gemüsestandln wartend, an verrosteten Motorrädern schraubend, große Körbe auf dem Kopf und kleine Kinder am Rücken tragend wahrscheinlich viel schwerwiegendere Probleme haben, die sich vielleicht sogar ums nackte Überleben drehen, kann ich in diesem Moment nicht wahr- und aufnehmen.
Fitnessstudio der Novizen
Aber nun ist ja fast alles wieder gut, dennoch bin ich zu erschöpft und zugegebenermaßen auch noch nicht richtig „hier“, um viele Eindrücke aufnehmen zu können. Hauptsache, ich bin abgelenkt, als wir durch die engen Gassen des Marktes spazieren, hier und dort stoppen, um etwas zu betrachten oder einzukaufen.
Das Abendessen im Hostel verläuft noch etwas verklemmt, ich merk mir die Namen der vielen Köchinnen nicht, bin es nicht gewohnt, dass vor dem Essen gebetet wird und sitze scheinbar auch noch auf dem falschen Platz, was sich aber niemand zu sagen traut.

Die einen sagen See, ich sage Tümpel.
Zum Umlaufen reicht aber es allemal.
Das Essen ist gut, ich bin dann aber sehr froh, mich ins Zimmer verzeihen zu können. Da werden dann erst mal die Möbel umgestellt, seltsames Getier nach draußen befördert und natürlich wird ausgiebig mit dem Herzallerliebsten telefoniert. Und siehe da, es geht mir etwas besser.
Die Taschen packe ich aber nicht aus. Kann ich mir doch momentan kaum vorstellen, ganze sechs Monate hierzubleiben.

1 Kommentar:

  1. du schreibst ja wie hirschhausen, mein aktueller lieblingsautor!
    bitte ein foto vom kanga in action.
    und finger weg vom guavesaft, much too teuer... ;-)

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