Freitag, 11. November 2011

A girls night out - "Partyzone" Korogwe

Es ist höchste Zeit, dass ich mit den Einheimischen nicht nur Boha saufe, sondern mich auch mit ihnen ins Partygetümmel stürze und ihnen mal zeige, was es heißt, perfektes Rhythmusgefühl und Körperbeherrschung zu besitzen.
So war der Plan.



Nein, der Plan war eigentlich ein ganz anderer. Wenn man ein „Schau ma mal“ überhaupt als vollwertigen Plan bezeichnen kann! Mit meinem neuerworbenen Wissen und Erfahrung als Projektplanerin sag ich dazu nur: Hmmm, ja, vielleicht noch eine Zieldefinierung und passt!
Ziel heißt in meinem Fall: Korogwe.
Nicht, weil dieses Städtchen für sein Bermudadreieck der Partyszene bekannt ist, sondern weil dieser Ort Schauplatz eines Wiedersehens mit Jugendfreund Clemens werden soll. Weil man sich halt nun mal grundsätzlich nach gut 15 Jahren oder mehr „Nicht-auf-einen-Kaffee-gehen-um-peinliche-Teenagererinnerungen-aufzufrischen“ in einem Kaff in Tansania trifft.
Dank allwissendem Facebook stellte sich am Vorabend heraus, dass genannter Herr  - Ja, auch er ist inzwischen erwachsen, wie ich mit Verwunderung feststellte - arbeitstechnisch für kurze Zeit in Korogwe weilt. World Vision Schweiz, das (oder die?) hier mit großer Anerkennung für deren genialen Fundraising- und Öffentlichkeitsarbeitsstrategien erwähnt werden soll, hat einige „Gschichteln“ in der Nähe von Korogwe laufen, die eine Woche lang von einer ganzen Meute Schweizer begutachtet werden. Wer mehr darüber lesen will, klicke bitte auf #myjourney.

Weiters sei angeführt, dass Korogwe an die 50km und gute 2 Stunden gemütliche -„Jetzt liegen wir bitte alle übereinander, damit noch 15 Personen mehr Platz haben“- Busfahrt von Lushoto entfernt liegt und mir bisher nur durch die kurzen Stopps am Busbahnhof und dazugehörige Keks und gekochten Eier, die einem durchs Busfenster zum Verkauf angeboten werden, bekannt ist. Ach ja, ganz wichtig: Der nächstgelegene ATM für ausländische Behebungen ist dort zu finden und die 4.000 Tansanischen Schillinge für den Bus sollte man immer in Reserve haben, wenn einem in Lushoto mal das Geld ausgeht. Und die 500 für die Kekse. Ist aber nur eine Empfehlung.

In Graz wäre sich so ein Treffen natürlich nicht ausgegangen, die 2 km in die Innenstadt „auf einen Kaffee“ und der Zeitaufwand hierfür wären schlicht unüberwindbar gewesen, und außerdem: Kaffee in Graz? Wie uncool!

Mehr Information, außer dass eben World Vision Schweiz irgendwo in Korogwe weilt, hab ich nicht, als ich in Mombo den Bus besteige. Schau ma mal eben.

Runter nach Mombo hab ich eine spontane Mitfahrgelegenheit mit einem wirren, alten, norwegischen Uniprofessor. Aber das wäre dann wieder eine andere Geschichte…

In Korogwe angekommen, werde ich wieder von allen Seiten belagert und bequatscht und nachdem ich zehn Minuten planlos herumgelaufen bin, hab ich bereits 28 Angebote, mit Duk Duk, Taxis, Piki Pikis und Radfahrern mitzufahren, das Angebot, schnell mal mit 10.000 TSH jemandes Schulden zu tilgen, sowie ein Angebot, das Schulgeld für ein Kind zu bezahlen, in der Tasche. Läuft richtig gut der Tag heute!

Dann hab ich die blitzartig die geniale Idee, mich nach dem lokalen World Vision Büro durchzufragen und kann so wenigstens einem Duk Duk Fahrer den Wunsch, mich überteuert irgendwohin zu bringen, erfüllen. Schulgeld halt dann nächstes Mal.
Bei World Vision Korogwe lerne ich Adolf kennen und erlebe eine großartige Hilfsbereitschaft. Adolf telefoniert etwas herum und findet heraus, dass die Schweizer Meute im „White Parrot“ abgestiegen ist, einem Hotel ca. 2 km außerhalb des Zentrums. Und weil er sowieso gerade in die Nähe muss, nimmt er mich kurzerhand mit und bringt mich zum Hotel.
Er erzählt, dass er dann eine Selbsthilfegruppe der Menschen mit Albinismus trifft. Hier in Korogwe leben über hundert Menschen mit Albinismus. Laut Adolf inzwischen sehr gut integriert. Das war nicht immer so und in einigen abgeschiedenen Gegenden wurden gerade in den letzten Jahren Menschen mit Albinismus aufgrund der angeblichen Zauberkräfte, die ein Gebräu, eine Tinktur usw. aus deren Körperteilen oder Innereien besitzen, grausamst ermordet.
Im „White Parrot“ nehme ich ein Zimmer, trinke im Resti nebenan einen Kaffee und stürzt mich dann ins Korogwer Cityleben. Hier erstehe ich auch wieder Haltbarmilch, ohne die mein morgendliches Müsli gar nichts kann.

Wieder im Resti neben dem Hotel wird ins gute Buch geschaut bis die „Explorer“ (wer wissen will, warum diese Bezeichung, lese hier) Larissa, Ramona, Nicole, Celine und Franz sowie Begleiter Clemens, Lutz, Anna und noch einige, deren Namen ich leider nicht (mehr) weiß, eintreffen. Die Wiedersehensfreude ist groß und die Herzlichkeit, mit der mich die Mädels gleich als dazugehörig akzeptieren, einfach spitze.
An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön! Ich hatte eine Spitzennacht mit Euch! (Huch, na wie das jetzt wieder klingt!)


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Let's Party
Wir quatschen viel, auch wenn Clemens einiges am Läppi zu tun hat (oder so tut als ob), die Explorer schreiben eifrig Berichte fürs Internetz, irgendwo im Hotel bearbeitet das Filmteam die Mitschnitte vom heutigen Tag, die schon morgen im Schweizer Fernsehen laufen sollen. Nach einem Naja Abendessen vom Buffet, das sich seit Mittag nicht verändert hat und einer offiziellen, sehr netten (Abschieds)Ansprache durch die lokalen World Vision Mitarbeiter geht’s dann endlich auf ins Nightlife. (Eigentlich der einzige Grund meiner Anreise, aber pssst, nicht weitsagen!)


Wir machen uns so schön, wie es Mutter Natur eben zulässt und der Schweiß nicht wieder vorzeitig entfernt, der mir seit Mombo aus allen Poren kommt. Wieder mal ist es so viel wärmer als in Lushoto.
Bei der Local Disco gönnen wir uns eine SEHR laute Runde „Serengeti Bier“ Werbung anschauen. Der bestellte Konyagi mit Tonic Water wird zu einem Smirnoff mit Sprite, was aber dann mengenmäßig doch zu wenig ist, um die Werbeveranstaltung mit Würde zu ertragen. Macht nichts, Clemens und ich wissen uns schon zu anzuschreien.




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"Hakunaga" Grundposition


Die eigentliche Disco – also das Ereignis, bei der sich die Menschen zu Musik bewegen und nicht vor sich hinstarrend auf Plastiksesseln langweilen, wird endlich eröffnet und die Schweizer Brigade mit Österreichischer Mitläuferin heizen mal gleich die Stimmung an. Irgendwer muss ja anfangen!
In 2,8 Millisekunden hab ich mein Fehlen gestern wettgemacht und die überlebenswichtigen Tanzschritte zu „Hakunaga“, dem momentan überhaupt wichtigsten Lied in Tansania gelernt.
Das Lied ist so wichtig, dass es im Laufe der Nacht noch mindestens 58 Mal gespielt wird. Und wenn zwischendurch mal ein anderer Song ertönt, macht das gar nichts, denn besagte Tanzschritte passen zu jeglicher Musik. Also wird Line getanzt, was das Zeug hält.


Die Disco stelle man sich so vor: Betonfläche mit Bananenblattdachüberdachung, eine podiumähnliche Erhöhung mit einem Billardtisch darauf, ein paar Plastiktische und Sessel, natürlich auch ein Fernseher mit Fußball drinnen in einer Ecke. Das ganze wird von ein paar nackten Glühbirnen (oder waren es Neonröhren) beleuchtet, die man an- und ausschalten kann, um ein richtiges Discofeeling zu bekommen!
Der DJ besteuert seine Fehler- und Kontaktstörungsfällige Anlage mit einem PC und einer Playliste von sicher gut 64 Liedern. Wenn man „Hakunaga“ 58 Mal extra zählt.
Wir haben einen Riesenspaß, inzwischen sind eine Menge Menschen auf der Tanzfläche und es geht ziemlich aufregend, heiß und schweißtreibend durch die Nacht. (Da kann jetzt jede/r drunter verstehen, was sie oder er will!)
Müdigkeitsanflüge gelten nicht, wenn man sich kurz hinsetzt, wird man im nächsten Augenblick schon wieder zum Tanzen aufgefordert. Und hier tanzt auch wieder jede mit jeder und jeder mit jedem und jeder mit jedem, manchmal ganze Gruppen, dann verschwindet der eine Tanzpartner auf einmal und ein anderer steht, bzw. tanzt bereit, da werden auch kaum Unterschiede in den Altersklassen gemacht.
Und dazwischen immer wieder „Hakunaga“ und alle Formationen bilden sich neu.


Um drei wird dann die Musik abgedreht und langsam rottet sich die erschöpfte und verschwitzte Wazungumeute aus allen Ecken wieder zusammen, um gemeinsam den Heimweg zum Hotel anzutreten. Die Nacht ist traumhaft schön, es ist friedlich, die Sterne und der Mond erleuchten die Straßen und ich bin ganz wirr und aufgezwirbelt von den tollen Erfahrungen.
Wenn die Luft kühl wär, könnt ich jetzt sagen: Die kühle Luft tut gut, den Kopf wieder klar zu kriegen, aber die Luft ist immer noch sehr warm. Gut tut sie trotzdem.


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"Massai" fährt auch schon heim.
Ein paar der Gruppe beschließen noch, um 3:30 ins noch offene Resti einzukehren. Ich kann aber nimmer, muss dringend ins Bett. Meine letzte durchgemachte Nacht liegt auch sicher schon zwischen 4 Monaten und 2 Jahren zurück, bin ja nichts mehr gewöhnt. Vor allem mit so geringem Alkoholkonsum!
Dafür schlaf ich ausnahmsweise durch und wach erst um 5:30 morgens auf, als mir die Sonne durchs Moskitonetz den ersten Sonnenbrand ins Gesicht schmeißt.

Das Frühstück ist – komplett wider Erwarten – eher karg, ich diskutiere mir aber ein paar frische Tomatenscheiben heraus. Langsam trudelt auch der Rest der Crew ein, natürlich alle so frisch und fröhlich wie ich.
Ich schließ mich der Gruppe an, als sie auf den Markt in Korogwe geht und erlebe erstaunliches: In der großen Gruppe falle ich nicht auf, keiner spricht mich oder die anderen direkt an, wenn wir da so gesammelt herummarschieren. Ach, wie ich sie manchmal vermisse, diese Anonymität!
Ihr werdet wahrscheinlich den Kopf schütteln, aber ich denk, eines der ersten Dinge, die ich machen werde, wenn ich wieder Grazer Boden mit meinen eigenen parasitenbefallenen Zehen berühre ist, bewusst durch die Fußgängerzone zu laufen und mich daran erfreuen, dass mich niemand anspricht. Nur die Megaphonverkäufer bekommen eine Ausnahmegenehmigung.
Ich darf Einkaufsberatung für Clemens spielen und wer immer diese Ketengi von ihm bekommt, wird mir dankbar sein müssen. Oder aber auch gar nicht. Sorry!


Die Schweizer fahren heut noch zurück nach Dar Es Salaam, um von dort heimzufliegen und ich wähl mir vorsorglich einen Bus, der mich zurück nach Lushoto bringt. Nur ein Kleinkinderfuß in meinen Nieren. Sonst keine weiteren Nahkörpererfahrungen.
Na, das nenn ich Steigerung!

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