Sonntag, 6. November 2011

Die Mädels vom (Regen)Wald

Doris, die ihre Urlaube gerne damit verbringt, die jeweilige Sprache des Urlaubslandes zu lernen, um dann in ihrer Heimat Deutschland den dortigen Volkshochschulen den Marsch zu blasen, teilt mit mir den Platikstuhl bei Mama Deborah, unserer Kiswahililehrerin.


So brav wir Wochentags strebern und die ganzen -ku-, -li-, -ta-, -cha-, -vy-, -wa-, -ya-, -ma-, -tu-, usw.  Silben nach ernstzunehmenden Regeln in verschiedensten Kombinationen an Nomen und Verben hängen, so dringend lechzen wir am Wochenende nach einem Ausflug.





Ich bin auch ganz froh darüber, wieder mal einen Tag rauszukommen, an dem mir keine Geistlichkeit ins Kaffeehäferl blickt.
Und die Katzen werden sich wohl einen Tag selber ihr Futter suchen können. Nachdem Rogers nicht mehr da ist, bin ich für ihr leibliches Wohl zuständig und wie das läuft, hat ausnahmsweise nichts mit nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit zu tun.
Aber irgendwo muss ich meine überschüssige Liebe loswerden, nachdem Herzallerliebster weit weg weilt (und dort unsere Katzen mit überschüssiger Liebe mästet). Nenn ich mal: ausgleichende Gerechtigkeit.

Doris und ich packen auch noch Liz ein, hat sie doch den letzten Regenwald im Regen Ausflug so gut überstanden, dass sie sich schon wieder steilere Hänge rauf und runter traut.
Am Lushoto Busterminal treffen wir vorbestellten Guide Samuel, der uns in einen Miniminiminibus verfrachtet, der uns in den Ort Magamba, 30min und etliche Höhenmeter über Lushoto, bringen soll.

Magamba Haus der Gescheitheit
Weil heut Sonntag ist, weil wir uns so gut es geht aufplustern und sich daher keiner zu uns traut, weil Liz besonders grimmig drein schaut, weil sie ihr Lunchpaket selbst tragen muss oder weil Doris auf ihrer ersten Miniminiminibusfahrt nicht gleich übermäßig geschockt werden soll, dürfen wir drei Damen uns eine Sitzbank zu dritt teilen. Normalerweise würden da schon fünf draufpassen – und ein zusätzlicher quer über unseren Schoß.

Bei der Magamba Universität steigen wir aus und sind nach ein paar Meter über das leere Unigelände mitten im Urwald.
Der Magamba Forest ist das bekannteste und größte Natural Reserve in den Usambarabergen und wird dementsprechend oft besucht. Dennoch treffen wir bis zum Lunchplatz keine weiteren Wanderer.

Unsere Wanderung gestaltet sich eher gemütlich, werden doch viele Fragen gestellt, die Samuel gewissenhaft zu beantworten versucht. Außerdem kommen Doris und ich seinem Drang, sein Deutsch für Touristengespräche zu verbessern, nach und versuchen, ihm einige dreckige Wörter beizubringen.

Samunel, Doris, Liz und ich
Der Wald selbst ist schön, aber nach dem Mazumbai Forest nun wirklich keine Besonderheit mehr. Mit meinem Fastsuperbiologenblick erspähe ich gleich das erste Chamäleon, nicke wissend bei einigen Pflanzenbezeichnungen durch Samuel und erkenne mit geübter Präzision, dass es sich beim Vogelgezwitscher nicht um das Geschrei von Affen handelt. So schnell kann mich also nichts mehr beeindrucken.
Nach einigen schweißigen Höhenmetern – es ist drückend schwül – erreichen wir die höchste Erhebung in unmittelbarer Umgebung, auf der ein bananenblattdachbedeckter Unterstand und Jausenplatz errichtet wurde.
So genießen wir einen tollen Blick auf Lushoto, während wir frittiertes Hähnchenstück, frittiertes Fischstück, frittiertes Chapatti, frittierte Germdounats und Gemüse, leider nicht frittiert, verdrücken.

Lushoto - mei, des kennat sogoa in da Steiamoak sein!
Und dann zieht  – fast aus dem Nichts – ein massives Unwetter über uns und selbst die Banananenblätter können uns nicht vor dem kalten Wind schützen, während wir ziemlich lange Zeit auf Besserung warten und frösteln.
Als der Schauer endlich vorüber ist, sind die Wege lehmig und die Forstverwalter bieten uns an, dass sie uns mit ihrem zurück zur „Hauptstraße“ bringen. Ich lasse den beiden Ladies liebend gerne den Vortritt, beim Fahrer im Fahrerhaus mitzufahren, bedeutet dies schließlich für mich, dass ich mit Guide und Forstverwalter 2 auf der Ladefläche mitsurfen darf.

Wenn es um so etwas geht, wird bei mir der Prozess des „Erwachsen Werdens“  wohl (hoffentlich) nie beginnen. Ein offenes Zugfenster: mein Kopf ist garantiert als erster draußen. Ein Traktor mit Anhänger: Ich bin die Cheffin des Heuhaufens drauf.

Den Tansaniern anfangs noch peinlich, dass sie mir so „unluxuriöse“ Mitfahrgelegenheit zumuten müssen, steh ich hinten auf der Tragfläche, klammere mich an schützendes Metallgestell, als der Forstverwalter Nr. 1 – den Weg sichtlich sehr genau kennend - durchs Unterholz heizt und mir damit das Highlight des Tages beschert.

Beste Autofahrt ever!
Die Äste hängen zwischendurch so tief, dass wir einerseits hochkonzentriert den Weg vor uns beobachten, um uns rechtzeitig zu ducken, gleichzeitig regnet es von darüberstreifenden Ästen eiskalt auf uns herab und das Wasser rinnt mir am Hals entlang unter die Kleidung und andererseits holpert der Wagen die unebenen Waldwege entlang, bremst auch vor tieferen Löchern nicht, gibt kurz vor einer Steigung noch so richtig Gas, um nicht hängen zu bleiben und schlittert manchmal auf dem nassen Gras und dem Schlamm ganz ordentlich dahin.

Ein Adrenalinkick – Grazer Messe Vergnügungspark  eine Lärcherlausdünstung dagegen – der leider viel zu schnell vorbei ist. Wir erreichen die Straße, bedanken uns höflichst bei den Forstverwaltern und warten auf den nächsten Bus, der uns wieder nach Lushoto bringt.

Als ich wieder im Hostel ankomme, bin ich trotz Regenende und Funktionskleidung immer noch nass. Aber zutiefst zufrieden. Wiedermal war das Ungeplante das schönste Erlebnis!



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