Freitag, 5. August 2011

Hochschwab oder nicht Hochschwab?

„Kummst va Zö?“ ist eine der am häufigsten an mich gerichteten Fragen am ersten Tage meiner (noch geplanten und erhofften 4tägigen) Weiterbeschreitung des Nord-Süd-Weitwanderweges.

Entgegen kommen mir am ersten Tag viele, die dort hin wollen, wo ich herkomme: Nach Zö!....

Die Risiken des Sockenanziehens bei Nacht




.....Meistens Gruppen, Durchschnittsalter meistens 40+. Aber dann dennoch sehr unterschiedlich: Die einen störe ich grad beim Beten um ein Marterl, um dass sie sich wie die muslimischen Pilger um das Heiligtum von Mekka wuzeln, die anderen jodeln und erzeugen mit mitgebrachten Musikinstrumenten Geräusche, die scheinbar nach regelmäßig getätigten Schlucken aus braunen Glasflaschen Brauchtum sind und sein müssen.
Manche sehen so aus, als wären sie erst heute gestartet, oder konnten im gestrigen Nachtlager das komplette Wellnessprogramm konsumieren. Bei anderen fragt man sich, wie sie es überhaupt so weit geschafft haben und ob man ihnen doch nicht lieber schon vorbeugend einen Rettungshubschrauber rufen sollte. Aber die meisten sind gut drauf, haben mehr oder weniger lustige Worte auf den Lippen, als sie mir entgegen kommen und alle sind genauso dreckig wie ich.

Richtig, die Mariazellpilger!

Mit denen muss ich mich wohl oder übel arrangieren, denn mein 05er läuft in entgegen gesetzter Richtung zu deren 06er, dem Pilgerweg. Jedenfalls von Mariazell übern Niederalplpass, dann über die Hohe Veitsch (oder unten vorbei) bis zur Rotsohlalm. Für die Pilger eben umgekehrt.
Vom Dunkel ins Hell
Aber zweiteres hatte ich schon letztes Jahr, also fad! Ich starte in Mariazell, oder liebevoll und ausdrucksstark auch Zö genannt.

Nach vorhin erwähnten gebirglichen Hürden auf dem Weg soll es dann weiter nach Seewiesen gehen, von dort auf den Hochschwab, der sozusagen der Länge nach überschritten werden soll, weiter über die Sonnschienalm, vorbei an der Leobner Hütte und Präbichl, um dann noch den letzten gewaltigen Anstieg auf den Eisenerzer Reichenstein vorzunehmen, bevor es dann runter  ins schöne Trofaiach geht. Und das alles in vier Tagen.

 
War so geplant.




Aber nun alles der Reihe nach:

1. Tag: Mariazell – Schöneben – Herrenboden – Niederalplpass – Hohe Veitsch (Graf Meran Haus), 27 km, Unterwegszeit: 8 Std. 30 min.

Ich lass mich wieder mal mit dem Taxi zum Bahnhof bringen. Wenn schon Weitwandern, dann wenigstens ein bisschen schnöselmäßig tun!
Einwohner Teil 1

Der wahre Grund sind wieder mal die Öffis und der Bettkollege. Nachtbusse fahren grad keine mehr, als ich um vier Uhr morgens am Bahnhof stehe und der Herzallerliebste wurde ausgerechnet am Vortag nachtblind und muss sich schlafenderweise kurieren, bis es wieder hell ist.

Nein, passt schon so, ich gönn ja den Taxifahrerinnen und Taxifahrern gegen Ende ihrer Schicht einen nicht besoffenen und (noch) gut riechenden Fahrgast, der auch noch angemessen Trinkgeld gibt.

Ich tu also mein Bestes und erreiche so eine Graz – Bruck S-Bahn, die sich klimaanlagenfauchend mit zwei anderen Personen und mir durch die Nacht bewegt. Ich glaub, in Frohnleiten steigt noch wer zu, also fast Überfüllung!
Seewiesen überm Nebel - Das nenn ich Hochschwabpanorama
Am wunderschönen Europaplatz in Kapfenberg, der fast schon weltoffenes Großstadtflair verströmt, warten eine andere Passagierin und ich auf die Linie 172, die uns um halb sechs Uhr morgens nach Mariazell bringen soll.

Der Busfahrer würdigt mich keines Blickes – jemand der täglich nach und ab Mariazell fährt, ist wahrscheinlich alles gewöhnt. (Siehe Pilgerbeschreibung weiter oben!)
Abkürzungen tuns auch: Die Zö Bas im Neb
Je näher Zö kommt, desto heller wird es. Und umso nebliger. Die Wetter App meint eigentlich was von schönem Wetter und als wir über den Seebergsattel fahren, werde ich nicht enttäuscht. Der Nebel gastiert also nur unten. Über der Nebelschicht herrscht schönster Sonnenschein und wolkenloser Himmel.
Kampf: Sonne
gegen Nebel
Da aber Zö unter dem Seebergsattel liegt, starte ich um sieben also im Nebel. Und in einem komplett ausgestorbenen Mariazell. Hat auch was, einen wahren Touristenmagneten in aller Ruhe zu erfahren.

Ich will aber weg aus Zö und raus aus dem Nebel. Wenigstens ist es nicht kalt und so landen die Zipp off Hosenbeine wieder im Rucksack.



And the winner is....
...the sun
Bacherlimpressionen
Die Wanderkarte bleibt auch dort, bin ich als Ex- Mariazellpilgerin vom Vorjahr doch fast schon einheimisch hier.
So finde ich ruck zuck zum Mooshubenwirt, wo ich dann meine harten Hochalpinwanderklötze an den Füßen gegen gemütliche Wandersandalen eintausche, denn seit einiger Zeit brennt die Sonne vom Himmel und es ist für acht/neun Uhr schon sehr heiß.

Nach Schöneben geht’s auf einer Schotterstraße, also doch eher wenig hochalpiner Charakter.
Löcher + Sonne + Schatten + grün = schön!
Der Marsch rauf zum Herrenboden entpuppt sich zum ersten Mal als Gatschhupfpartie, die Regenfälle der Vortage und die Kühe haben ihr bestes getan, alle härteren Trittflächen und Grasmugel, auf denen man balancieren hätte können, in kleine Sumpf- und Moorlandschaften zu verwandeln.

Hupf in Gatsch...

Insgeheim bin ich ganz stolz auf mich, dass ich die Zipp off Hosenbeine trotzdem nicht waschen brauche. So hab ich früh morgens schon ein kleines Erfolgserlebnis.
Herrenboden
Fast schwimmenderweise (jetzt nicht nur wegen der durchfeuchteten Bodenkonsistenz, sonder auch aufgrund körpereigener Flüssigkeitsproduktion) erreiche ich den Wirten auf dem Herrenboden, wo mir ein Glas hervorragender, selbstgemachter Himbeermolke kredenzt wird.

Das ganze Pilgern hin oder her - so eine selbstgemachte Molke ist das einzig Wahre, das von innen reinigt!
Mount Tonion
Niederalplbass mit "Hozbox"
Nach einigen weiteren Auf- und Ab erreiche ich um die Mittagszeit den Niederalplpass. Hier raste ich kurz, bevor der schweißtreibende Aufstieg auf die Hohe Veitsch beginnt.

Mit meiner Motivation steht es grad nicht zum Besten und ich bin schon recht müde.
Einwohner II
Hohe Veitsch Gipfelkreuz in Sicht -
und noch sooo weit weg!
Der – mit 3,5 Std. angegebene – Anstieg hat es dann in sich. Ich habe das Gefühl, überhaupt nicht vorwärts zu kommen und gleichzeitig bin ich schon ziemlich am Ende meiner Kräfte. Als ich vor mich hin phantasierend überlege, wo denn in dieser alpinen Gegend meine Rettungshubschrauber landen würde können, um mich zu bergen, da ich keine weiteren 1,5 Std. mehr schaffen könne, steht da auf einmal auf einem Schild: Hohe Veitsch 30 min.

Kurzer, freundlicher Wort- und Muhwechsel,
wobei ich mich diesmal auf die "Muhs" beschränke.

Ganz perplex, dass ich scheinbar eine Stunde schneller als geplant oben bin, hüpfe ich – mit neuer Energie geladen – gamsartig gen Gipfelkreuz.
Das gefällt den drei rattengroßen Hunden beim Gipfelkreuz nicht so, als sie mich von Weitem mit gefletschten Zähnen und Gebell begrüßen. Ich hingegen muss nur aufpassen, wo ich hin steige, ich will ja schließlich kein Massaker da oben anrichten. Die hässlichen Flecken….

Vom "Bled ummaspühn" kumman die Kinda
Blick zurück zum Wildkamm
Nach kurzem Sonnenanbeten steig ich hinunter zur – schon sichtbaren – Hütte.

Ich bekomme ein Bett in einem Zimmer, das ich für mich alleine habe, zugewiesen. Es haben sich für die Nacht nur noch vier weitere Personen angekündigt.
Graf Meran Haus
und Materialseilbahnstation
Der nepalesische Koch serviert eine Riesenportion Knödel mit Linsen und die Hüttenwirtin hat viiiieeel zu erzählen. Bis kurz nach Sonnenuntergang hinter dem Berg bleib ich draußen sitzen und genieße die Stille (die Wirtin kümmert sich gerade um die Neuankömmlinge).

Dank eines Wasserrohrbruchs gibt’s etwas Wasser vom Herd, mit dem ich hinter der Hütte alle wichtigen Körperteile von Gatsch und anderen Naturprodukten befreie. Aber das warme Wasser und ein Hauch Duschbad nehmen die puristische Idylle. Laut Wirtin wurde fürs nächste Jahr eine Totalrenovierung inklusiv der Einbau von Duschen genehmigt. Irgendwie schade, finde ich. Natürlich ist ein wenig Luxus fein, aber das Ursprüngliche, das einfach gut zum kargen Leben auf dem Berg gehört, geht immer mehr verloren.

Drinnen in der Hütte wird dann die komplett unterbeschäftigte Katze Kain mit einem Strohhalm bei Laune gehalten. (Was soll sie denn auch den ganzen Tag in dieser Gegend machen, ist ja furchtbar fad für eine Katze hier!)

Irgendwann wird mir dann das blödsinnige und aufdringliche Geschwafel von einem der vier anderen Gäste zu viel und ich verzieh mich aufs Zimmer. An Erfahrung gereift hab ich diesmal Lesematerial mit. Hilft mir aber nicht viel, weil ich schon kurze Zeit später gut schlafe.
 
 
Petzis philosophischer Ausreißer:

Sowas gibt’s diesmal nicht! Selbsterfahrung hatte ich bei meiner letzten Mehrtagestour genug. Das reicht! Mehr erfahren will ich derzeit gar nicht. Ist manchmal gar nicht gut.
Morgendlicher Nebelblick auf den Hochschwab?

2. Tag: Hohe Veitsch – Rotsohlalm – Turnaueralm – Seebergsattel – Seewiesen – Hochschwab? oder nicht?

Die Hüttenchefin hat gestern schon gemeint: „Also aufm Hochschwab geh i nua, wenns supa Wetter angsagt habm!“ Und das Wetter ist „so lala“ angesagt. Nicht ganz so schlimm wie noch vor zwei Tagen, aber eben auch nicht ganz super.
Grad kein Superwanderwetter
Was aber das größere Problem darstellt: Der Sonntag soll dafür durchwegs schlecht werden. Typisch Sonntag eben.

Und an diesem Tag soll ich im Schiestlhaus am Hochschwab aufstehen, rüber gehen bis zur Sonnschienalm und weiter nach Präbichl und dann auch noch rauf auf den Reichenstein. Also eine Gewalttour meist hoch oben und ungeschützt durch Bäume. Und eine Unterbrechung wäre erst in Präbichl möglich, wenn ich nicht schon vorher absteigen würde. Will ich so eine Wanderung wirklich – ganz zu schweigen von den zusätzlichen Risiken, die eine Schlechtwetterfront am Hochschwab mit sich bringt?


Diese Frage beantworte ich im Laufe des Abstiegs von der Hohen Veitsch über den Teufelsteig.
Gutes Foto trotz schlechtem Wetter...
Als ich nach einer sehr erholsamen Nacht starte, ist es so, wie ich die Hohe Veitsch vor einem Jahr auf der Graz-Mariazell Tour kennenlernen durfte: Weiß wohin man blickt. Nein, nicht Schnee – gottseidank ist es immer noch recht warm – sondern Nebel. Nur gut, dass ich dieses Jahr keinen „Sonnenaufgang“ auf dem Gipfel eingeplant hatte. Hatte schon so ein Gespür in den Lymphdrüsen.

Kein schlimmer Nebel, der mich dazu bring, mich krampfhaft am GPS festzuklammern, aber schon so einer, der einen nicht wissen lässt, wo man gerade ist. Gefährlich für alle, die gestern schon mit Vollrausch oder Kopfverletzung oder einfach einer allgemeiner Form von Blödheit (wie der eine Wanderer des Vierergrüppchens) beim Graf Meran Haus ankamen.

Zurück zum Teufelsteig. Der heißt nicht umsonst so! Jaja, schon auch wegen einer Sage oder so. Aber hauptsächlich deshalb, weil man alle zehn Meter das dringende Bedürfnis verspürt „Fix Teifl“ zu fluchen. Naja, die Generationen vor mir würden so schimpfen. Ich tendiere da eher zu „F*ck Oida“. (Bei Bedarf kann noch ein zweites „Oida“ angehängt werden!) Man will ja mit der Zeit gehen.
Platz ist in der engsten Hütte, ähm, Trog
Dieses hinunter zittern – nichts anderes tun die Muskeln nach den ersten 1oo Höhenmeter – in der teils ausgeschwemmten und rutschigen, steilen Rinne raubt mir jegliche frisch angebaute Kraft und ich fühl mich bei der Ankunft auf der Rotsohlalm schon komplett erschöpft. Der Nebel ist zwar oben geblieben, jetzt nieselt es aber hin und wieder etwas und das Zusammenspiel aller dieser Gegebenheiten ringen mir den Entschluss ab, heute nur mehr bis Seewiesen zu gehen und mich von dort mittels Privattaxi nach Hause kutschieren zu lassen.
Heidelbeerpausen
Der Weg zur Turnaueralm gestaltet sich eher gemütlich. Da ich jetzt keinen Zeitdruck mehr habe, gibt’s einige Heidelbeerpausen. Dann Himbeerpausen gefolgt von Heidelbeerpausen. Aber jedes Mal, wenn es wieder ein paar Höhenmeter steil bergauf oder bergab geht, merke ich, wie schnell ich ermüde. Ich glaube momentan auch nicht, dass ich für die 1000 Höhenmeter Anstieg ab Seewiesen irgendwelche Kräfte mobilisieren hätte können.
Göriacheralm
Dafür wird das Wetter etwas besser, beim Abstieg von der Göriacheralm zur Seebergalm kommt die Sonne immer mehr durch und die afrikanischen Gesänge in meinen Ohrmuscheln motivieren zusätzlich. So sind die letzen paar Kilometer nach Seewiesen bald geschafft.

Nur beim letzten Abstieg nach Seewiesen durch den Wald fluche ich noch ein paar Mal rhythmisch zur Musik.
Keine schönen Aussichten auf die Aflenzer Staritzen

Der Herzallerliebste trifft kurz nach mir beim Gasthof Schuster ein und sein Transportservice wird mit Kaffee und Kuchen und ein paar schweißgetränkten Berührungen belohnt. Als er dann noch verkündigt, dass er die Tour über den Hochschwab ein anders Mal mit mir mitmachen wolle, wechselt schnell noch mehr Schweiß den Besitzer.

So fahren wir gut befeuchtet (außen von Regen) nach Hause ins sonnige Graz.
Dreckige Wanderschuhe - das HIGH light jeder Katze!

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