Samstag, 20. August 2011

"Achtung FEUCHT!"...

...oder einfach nur "Feucht!"

Ein oft rezidiertes Wort mit grundsätzlich vielen Bedeutungen.


Ich weiß, dass die menschliche Lebensform im früherwachsenen und ausgereiften Stadium dieses Wort zuerst einmal mit anatomischen Bereichen des humanoiden Körpers bzw. auch mit damit verbundenen Handlungs- und Bewegungsabläufen in Verbindung bringt.



Weiß ich deshalb, weil ich da auch dazugehöre. Irgendwie.
(Nennt man in der Fachsprache "Charlottekomplex oder Rochemanismus")

In weiterer Folge assozieren wir dieses Wort gerne mit den dringenden Bedürfnis der Flüssigkeitsaufnahme (in den Farben goldgelb oder orangerosa) an wohltemperierten Tagen zwecks Benetzung verdörrter Kehlen und anderen inneliegenden Verdauungsgegenden und zur Steigerung geistiger Fähigkeiten hin zur gottgleichen Allwissenheit und Selbsherrlichkeit.
 
Wind - Schatten fahren
Die Bewegungsfreudigen und Saunageher unter uns wissen auch, dass mit der Wortkombination "feucht sein" auch der Zustand zwischen "Nordicwalkingepidermistrockenheit" und "Extremsportmassivschweißverlust" gemeint sein könnte, also der Zustand, bei dem das Funktionsstirnband einerseits noch genügend Speicherkapazität vorrätig hat, andererseits aber nicht mehr mit dem nächsten Windhauch vom Kopf geblasen wird.

Und dann gibt es da noch eine vierte Bedeutung des Wortes, die Amateurskaterinnen und Skater wie mich die dritte Bedeutung auf die Stirn treiben (von wo sie von oben genannten Stirnband sofort extrahiert wird).



Südsteirisches Panorama
Und genau von diesem "Feucht" spreche ich, wenn ich von unserer Inline Skating Tour von Graz nach Mureck erzähle.
Das ist dieses "Feucht", das sich auf schattingen Straßen nach vortägigen Regenfällen in Kombination mit Laub und anderen Baumabfällen heimisch fühlt und wegen fehlender Profiltiefe der Skatesrollen jedem Fahrer ihre und seine Anmutigkeit und - bisher verkrampft vorgetäuschte -Professionalität nimmt.



Bisher war mir beim Skaten das "Feuchte" in seiner vierten Bedeutung eher einerlei. Wenn es da war, war es da. Man fuhr vorsichtiger, verschob Salom- und Einbeinkunststücke auf später und ließ das "Feuchte feucht sein" und verschwendete keine Gedanken mehr daran, bzw. dachte an die zweitgenannte Kategorie der Feuchte.

Diesmal aber avanciert der Ausruf "Feucht!", der echoartig von allen - anfangs 13, am Ende 8 - Skaterinnen und Skater wiederholt wurde, zum beliebtesten Unwort der Tour.
Beliebtes Hobby der Skater:
Schottersteigen
Wir starten in Graz bei der Kalvarienbrücke - im Feuchten. Nächtlicher Regen verhilft uns zu anfänglichen Rutschpartien, denen aber noch keinerlei Bedeutung beigemessen wird.
Nun geht es kreuz und quer, um Baustellen zu vermeiden über den Bahnhof (der ja derzeit ausnahmsweise keine Baustelle ist) und Don Bosco zum R2.

Der Herzallerliebste ist diesmal auch mit von der Partie, beschränkt sich aber fortbewegungstechnisch auf seine vier Buchstaben und zwei Räder. Damit er sich aufgrund fehlender Rollen nicht minderwertig fühlt, wird noch eine Freundin als radfahrende Begleitung engagiert.
Die Skaterpartie besteht aus ein paar von uns Cityskating Guides und zwei extra zur südsteirischern Asphaltanbetung angereisten Niederösterreichern. Im Süden von Graz wird gleich eine ganze Familie mit heißen Sohlen adoptiert, die wir dann aber leider kurz vor Wildon wieder hergeben müssen. Bei der ÖBB fühlten sie sich dann doch wohler als bei uns.
Bitte einen großen und einen
kleinen Radler!
Inzwischen heizt uns die Sonne ein, feucht sind nur die Funktions T-shirts und die Zehenzwischenräume und alle geistige Kraft an die Wadeln der Vorderfrau oder des Vordermannes - genannt Windschatten - gerichtet, rollen wir dahin. Zu sehen gibt es viel Gegend und viel Mais. Zwischendurch auch Gegend. Und die Wadeln nicht zu vergessen!

Da wir uns durchwegs nicht strikt an den Murradweg halten und ich somit auch nicht mehr weiß, als dass wir uns gen Süden und später gen Osten bewegen, zeichnen findige GPS Mitführende die Strecke auf.
Nur für Euch, damit Ihr ganz desinteressiert nicht auf diese Links mit der Route oder dem Höhenprofil oder den Fahrzeiten klicken müsst!
Noch ists bei niemandem
wund im Schuh!
In Lebring wird dann die erste größere Pause eingelegt und der "Nah und Frisch" macht wahrscheinlich heute seinen Jahresumsatz mit uns. Banane und Salzstangerl finden rasch neue Besitzer.
Weiter fahren wir durch Gegend, umrunden Felder und dann ist es da auf einmal. Das "Feucht!"
Durch hirnblockadenförderndes Windschattenfahren und Wadelanstarren wird nun vor jeder Wasserpfütze und jedem feuchten Blattwerk gewarnt. Und da der Abstand zu Hinterfrau und -mann mit knappen 50 cm für Schallwellen doch unüberwindbar ist, darf Jede und Jeder in der Reihe mittels "Feucht!" Rufe ihren und seinen Schatten warnen. Aber da wir scheinbar schneller skaten als der Schall, erreicht das letzte "Feucht!" den letzten Skater der Reihe erst lange nach dem Feuchten.
Aber das nächste kommt bestimmt.

Hauptsache, wir fühlen uns alle wichtig. Hauptsache, niemand ist schuld, wenn das Feuchte doch noch böse zuschlägt und Asphaltküsse fordert. Hauptsache, wir können dieses Wort auch mal laut sagen, ohne von anderen ausgereiften Erwachsenen blöd angegrinst zu werden. Und Hauptsache, wir können kurz die gespielte Professionalität sein lassen und wie ein Skateanfänger mit herumrudernden Armbewegungen wieder wir selbst sein.
Sowas Feuchtes ist halt was Feines!


Einige Rollenblockaden, 76 km und geschätzte 3.695 getätigten "Feucht!" Warnrufe später und dezent erschöpft erreichen wir Mureck.
Dort rechnet natürlich kein Buschenschank und kein Gasthaus mit evtl. Rad- und Skatetouristen, die an einem sonnigen Wochenende kurz nach der Mittagszeit etwas hungrig ankommen. Da aber Mureck grad nicht mehr als Megacity durchgeht, ist es bald durchforstet und ein Lokal, das selbstgemachte Nudeln und mit Schafskäse gefülltes totes Getier gegen Papierscheine hergibt, gefunden.
Die zweitgenannte Variante der Feuchtigkeit wird erarbeitet, nachdem dritte und vierte bereits exzessive durchlebt wurden. Auf die erste hat gerade niemand Lust, schätze ich.
Warten auf den Zug

Wohlgenährt verbringen wir den letzten Rest des Nachmittags mit der ÖBB. In dieser Zeit benetzt die fünfte "Feucht" - Bedeutung unsere Augen, denn ein Scherz jagt den anderen und dazwischen wird auch ein bisschen gelacht.


"Trocken" ist dann übermorgen.

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