Freitag, 9. Dezember 2011

The Spirit of Sambia I



Dar Es Salaam, Zugfahren und Sambia

Endlich weg!
Kaum zu glauben, wie groß mein Bedürfnis ist, das Hostel und Lushoto und damit verbunden einige negative Gefühle, hinter mir zu lassen, als ich frühmorgens in den Bus steige, der mich in ca. 7 Std. in Dar absetzen soll.




In Dar habens einen Hang zu
hübschen Farben

Ein bisschen Respekt hab ich vor dieser riesigen, verrufenen Stadt, in der ich mich alleine bewegen soll. Menschen, die etwas von mir wollen hoch zehn. Aber ich brauch ja nicht lange zu bleiben, am nächsten Tag Ticket kaufen, am übernächsten Tag rein in den Zug und raus aus der Stadt.



Die Busfahrt zieht sich, es ist eng, heiß und zu guter Letzt lehnt sich auch noch hundert Kilo Bruder Vincent, der Verwandte besuchen fährt, im Schlaf auf mich. Könnt ja damit leben, wenn wir tiefsten Winter hätten und mir kalt wäre, aber wenn sich bei gut 35 Grad das Fenster nicht öffnen lässt, steh ich nicht so auf Körperkontakt.

Und ein spannendes, sich bei jeder Busfahrt wiederholendes - Phänomen sind die Klostopps. Da entwickelt der gemeine Tansanier, der sein Leben lang nicht über eine durchschnittliche Gehgeschwindigkeit von 2,5 km/h hinauskommt und bei dem auch ohne moderne Zeitlupentechnik genau diese zu beobachten ist, plötzlich einen Temposchub und erledigt den Weg zur Toilette, die Erledigung diverser Geschäfte und den Rückweg zu seinem Sitzplatz innerhalb 29,7 Sekunden.

Da hats wohl viel geregnet in Dar
Muss er auch, denn der Busfahrer stellt seinen 60 Passagieren bei 4-6 Toiletten gerade mal fünf Minuten Zeit zur Verfügung. Dazu kommt noch, dass er schon nach drei Minuten – also die Zeit, die ich brauche, mich als 15. in die Schlange vor den Klos einzureihen – wie wild zu hupen anfängt und den Motor aufheulen lässt. Der gemeine Tansanier lässt sich zwar davon nicht beeindrucken und auch ich versuche als mittlerweilen 14. ruhig zu bleiben. Der wird ja wohl nicht wagen, die einzige Weiße da zurückzulassen! Aber trotz massiv eingeschränkten Flüssigkeitskonsum (alle zwei Stunden ein kleines Schlückchen Wasser) muss ich halt nun mal auch einmal innerhalb 7 Std.

Die geringe Flüssigkeitszufuhr macht sich bemerkbar und die letzten beiden Stunden der Busfahrt leide ich unter Kopfschmerzen und mein Kreislauf mag nimmer.

Dann sind wir endlich da. Die sonst so hektische Ubungo Bus Station liegt im nachmittäglichen Schlaf und nur ein paar wenige Taxifahrer belästigen mich.

Buder Vincent hilft mir noch, einen „anständigen“ Preis zu meinem Hotel auszuhandeln, dann verabschieden wir uns und der Taxler wühlt sich durch die Automassen Richtung Innenstadt.

Ich habe das Jambo Inn Hotel ausgewählt, das, wie sich später herausstellt, in einer sehr angenehmen Gegend liegt. Angenehm, was das Viertel angeht und angenehm, was zu bewältigende Fußwege anbelangt.

Statt Plakatwände gibts Bemalwände
Die Zimmer sind nett bemalt, alles ist sauber und reicht genau, um mich für zwei Tage glücklich zu stimmen. Und mir geht’s wirklich besser. Körperlich und psychisch ist ein tendenzieller Aufwärtstrend zu verzeichnen. Naja, körperlich könnte noch mit fester Nahrung, die nicht aus Maisgrieß und frittiertem Huhn besteht, nachgeholfen werden.

Also mach ich mich auf den Weg – Hotelresti hat leider (gute Kritik in den Reiseführern) geschlossen und auch das nächste nahegelegenen Lokal, das für seine Pizzen und Burger bekannt ist, sieht danach aus, als wenn dort gerade keine Mahlzeiten produziert werden.

Macht nichts, ich laufe einfach kreuz und quer durch die Gassen, es wird sich schon was finden.

Ich befinde mich im Kisutu Bezirk, ein ruhigerer Wohnbezirk mit hohem Inderanteil, kleinen Geschäften, einigen Moscheen und nicht viel Verkehr. Und mir fällt gleich etwas auf: Kaum jemand spricht mich an, hin und wieder gibt’s ein „Jambo“, selten ein „Karibu“, der eine oder andere Taxler möchte mich mitnehmen, aber im Großen und Ganzen wird ich hier in Ruhe gelassen. Hier kann man wirklich an Personen vorbeigehen, ohne sich mit ihnen auf irgendein Gespräch einzulassen. Wunderbar!

Ich komme am Rainbow Hotel vorbei, einem etwas luxuriöser wirkenden Domizil, dass mit der Aufschrift „Airconditioned Resturant on the 1st floor“ wirbt. Ersteres Wort reizt mich besonders, denn es ist extrem heiß und ich begebe mich in den ersten Stock. Preise sind ok und ich darf einen Burger mein nennen. Und der ist lecker!

Ein älterer Herr aus Saudi Arabien fragt, ob er sich zu mir an den Tisch setzen darf und wir unterhalten uns gut. Ayad erzählt, dass er Geschäftsmann und viel alleine unterwegs sei und daher gerne schnell mal mit Fremden ins Gespräch kommt. Eine Israelin am Nebentisch begrüßt er so, als seien die beiden schon jahrelang die besten Freunde, dabei habe er sie gestern kennengelernt.

Zwei weitere Saudis gesellt sich zu uns und wir drei beschließen, später gemeinsam ein Taxi zum Coco Beach – der IN Strand der Dar Es Salaamer – zu teilen.

Coco Beach hat den Ruf, unter der Woche zu gefährlich für Touristen zu sein, da zu wenig Leute am Strand seien und es zu Überfällen kommen kann. Aber am Wochenende ist der Strand zugekleistert mit Menschen, Tansaniern und Touristen und es ähnelt einem Volksfest.  Und genau so finden wir den Platz vor: Weißer Sandstrand, ruhiges Meer, viele, viele Menschen, einige üben Kunststücke, Mädelsgruppen kichern um die Wette, wenn die Jungs vorbei coolen, Sandgebilde werden gebaut, Bälle gekickt, dazwischen Verkäufer von kalten Sodas (Cola, Fanta,…) oder Nüssen. Etliche Wazungu unter den Menschen. Die Stimmung ist herrlich, befreiend.

Die sehr einfachen Restaurants weiter hinten servieren an den Tisch und dort lassen wir uns auch nieder. Ayad bestellt ein antialkoholisches Bier (russischer Import) und ist komplett geschockt, als ich ihm sage, dass auch darin ein geringer Alkoholgehalt zu finden ist. Die beiden anderen bestellen sich ein Heineken. Als ich sie frage, ob sie denn nicht Muslime seien, meinen sie: Ja schon, eigentlich streng gläubig. Und dann Alkohol? Verlegenes Gelächter und Achselzucken. So also.

Einer der beiden – ein Headhunter für irgendeine große Finanzorganisation – hat Interesse an mir und meint, er könne mir einiges bieten. Auf meine Anmerkung hin, dass ich dem Herzallerliebsten versprochen sei, meint er nur: „Ist ja egal, ich soll‘s mir halt überlegen!“

Dennoch ist diese „Anmache“ ganz anders als die übliche der Tansanier, überhaupt nicht aufdringlich, sehr höflich und so beeinträchtigt sie überhaupt nicht das gemütliche Zusammensitzen und Quatschen.

Wir spazieren kurz vor Sonnenuntergang noch auf einen Felsen, der ins Meer ragt und wieder mal werde ich kein einziges Mal angequatscht. Hier taucht man als Weiße einfach in den Menschenmassen unter, keiner schaut zweimal, kichert oder ruft irgendwas hinterher. Unglaublich, wie sehr ich das vermisst habe. Einfach unauffällig zu sein. Anonymität.

Es ist noch früh, aber ich bin geschafft und todmüde und so fahren wir mit dem Taxi wieder zurück zu den Hotels. Es werden noch schnell Namen ausgetauscht – man trifft sich ja auf Facebook wieder.

Weihnachtsstimmung
Am Montag wage ich mich dann zur Posta, die Hauptanlegestelle für alle Dalla Dallas. Und hier geht es rund. In Zweierreihen fahren die Minibusse an den Straßenrand, die Ticketverkäufer hängen in den offenen Türen der Busse und rufen – anfangs komplett unverständlich – die Namen der Destinationen der jeweiligen Dalla Dallas in den Verkehrslärm, obwohl die „Endstation“ der Busse auch vorne draufsteht. Menschen verlassen die Busse, andere drängen sich hinein und es herrscht eine unübersichtliche Betriebsamkeit.

Ich beobachte eine Zeit lang. Ich weiß, wo ich hin will, aber irgendwie scheint das Dalla Dalla mit dieser Aufschrift nie zu kommen. Also fange ich an, die schreienden Ticketverkäufer zu fragen, bis endlich einer meint, dass sein Bus an der Tazara Train Station vorbeifährt.

Und so bekomm ich gleich eine Stadtbesichtigung oben drauf, fahre am Hafen vorbei, sehe, wo die Fährschiffe nach Sansibar ablegen, sehe die Einkaufszentren und die Hotels, die alle irgendwelche Anhaltspunkte in dieser Großstadt sind. Und Dar – wenigstens das Zentrum – wird gleich übersichtlicher.

Und wir fahren über eine nagelneue, mehrspurige Ausfahrtsstraße mit einigen großen Möbel- und Installationsgeschäften und schließlich bin ich bei der Tazara Train Station, feinster Kommunismus Style.

Die Tazara Train fährt zweimal pro Woche zwischen Dar und dem sambischen Kapiri Mposhi hin und her. Sonst soll es auf dieser Strecke keinen weiteren Personentransport geben.
Die Bahn ist langsamer unterwegs als die Langstreckenbusse, aber das Reisen soll gemütlicher und günstiger sein.

Ich stelle mich in die Reihe des 1.Klasse Schalters und warte. Nichts geht weiter. Immer mehr Menschen drängen von hinten nach vorne und nach einer Stunde fange auch ich an zu drängen. Irgendwann hab ich mich recht weit nach vorne geschummelt, als eine Polizistin erscheint und auf Kiswahili die Menschenmenge beschimpft, die sich augenblicklich wieder zu einer schönen Schlange formatiert. Ich – schon so weit vorne – stelle mich blöd, bleibe vorne neben der Schlange stehen und spreche die Polizistin an. Nach so viel Mzungupreisdiskriminierung bekommen es nun alle retour, ich lasse meinen Mzungunaivitätsbonus spielen und die Polizistin schiebt mich sofort vorne in die Reihe rein. Keine Ahnung, ob sie sich dafür eine Gegenleistung erwartet. Ich mache weiter auf ahnungslos.

Und hab nach weiteren 15 Minuten mein Ticket in der Hand.

35€ für fast zwei Tage im 1.Klasse Abteil.

Zurück in die Innenstadt gehe ich zu Fuß, werde ich doch die nächsten Tage noch genug Sitzfleisch züchten. Und da komme ich an einem – gerade frisch aus dem Boden gestampften – Einkaufszentrum vorbei, das von außen schon Werbung für einen Coffee Shop macht. So ein richtiger Cafe Latte, wie lang ist das wohl schon her?

Und drinnen verschlägt es mir fast die Sprache: Klimatisiert, Geschäfte, Fast Food Lokale, Cineplex, Spielhalle, ein riesiger Supermarkt und das alles eingepackt in weihnachtliche Glitzerwunderwelt und beschallt mit amerikanischen Weihnachtsdüdelei. Und ich spazier da durch, kann stehenbleiben, alles ansehen, angreifen, ohne damit sozusagen einem Kaufzwang zu unterlegen. Wenn ich angesprochen werde, dann nur höfflich gegrüßt. Die Kundschaft ist Multikulti, alles von Mzungu, Asiat, Inder, Araber bis Afrikaner ist hier zu finden, die meisten sichtlich „Upper Class“ der Gesellschaft.

Und ich steh mitten drinn und könnte quasi heulen vor Glück.

Gibt’s das denn, dass diese westliche Konsumwelt, dieser vorgetäuschte Reichtum und die Anonymität hier emotional solche Auswirkungen auf mein Wohlbefinden haben?

Ja, gibt’s, denn dieses Shoppingcenter repräsentiert etwas, dass ich kenne, etwas, in dem ich mich zurechtfinde. Unabhängig, ob und wie postiv oder negativ sich diese Art von Scheinwelt hier einfügt, hier kenne ich die Spielregeln.

Und so seltsam und unpassend ich es damals empfunden hab, bei meinem Arushaaufenthalt vor zwei Monaten diesen „Club der Wazungu“ zu besuchen, so sehr versteh ich nun, dass man in dieser andersartigen Kultur hin und wieder Sehnsucht nach Bekanntem hat. Nach etwas, in dem man mal nicht die Fremde ist.

Und egal welchen – hier lebenden – Europäer oder US Amerikaner ich hier später noch treffen werde, jede und jeder von ihnen wird mir diese Erfahrung bestätigen.

Ich schieß mir mal einen halben Sub von „Subways“ in die Venen. Der tragische Beginn einer zwei Wochen anhaltenden Genussorgie, denn verdammt, das Zeug ist gut. (Gottseidank wurden Strech Textilien erfunden.)

Hier soll allerdings erwähnt werden – um gewissen Objektivitätskritikern unter Euch gleich mal den Wind aus den Segeln zu nehmen – dass mein Gaumen mittlerweilen alles als kulinarischen Hochgenuss empfindet. Möge sich Mr. Lafer jetzt 10mal in seiner Küche umdrehen.

Nachdem ich mich mit Cafe Latte wieder aufgetanke und mir noch ein bisschen Zugproviant besorge – das Zugresti ist nicht gerade bekannt für seine lukullischen Leistungen – schnappt mich ein Minibus und befördert mich wieder zurück ins Zentrum, dass ich noch etwas kreuze und quere, bevor ich mich ins Hotel zurückziehe, um mich an der Wandmalerei und dem Internet zu erfreuen.

Da fühl ich mich gleich heimisch
Und am nächsten Tag sitz ich dann in der stilvollen – ich nenne es mal Retrokommunismusarchidektur – First Class Lounge des Bahnhofs, während vom Bahnsteig draußen eine Julio Iglesias CD für eine etwas surreale Grundstimmung sorgt. In solchen Momenten wünscht man sich nur noch pinke Zuckerwatte und lebende Tiger zum Streicheln, um alle Sinneseindrücke etwas abzurunden.




Langsam füllt sich der Wartebereich, nur wenige Wazungu wagen sich noch in den Zug. Ein – ausschließlich französisch sprechender – Schweizer um die70 fällt auf, der sich mit ein paar Brocken Englisch durchgehend beschwert, dass er nichts verstehen würde. Mit allen möglichen Körperteilen und Zeichnungen versuche ich ihm zu erklären, dass es eh nur einen Zug heute gäbe und er nur den Menschen folgen soll. Sein Gesichtsausdruck bleibt immer der Gleiche, ich habe bald den Eindruck, er will gar nichts verstehen, sondern nur gefrustet bleiben und ich bin heilfroh, als eine amerikanische Familie auftaucht, deren Oberhaupt etwas französisch spricht. So bin ich gleich mal nicht mehr interessant für den Herren.

Draußen in der Haupthalle geht dafür die richtige Party ab. Hunderte Menschen schaufeln Kisten, Säcke, Platten, Packete, Glasscheiben usw. hin und her. Alles soll im Zug mit.

Dieser trifft mit nur 30 Minuten Verspätung ein, wird erstmal grundgereinigt und dann beladen. Und dann dürfen wir Passagiere drauf.



Auch im Abteil, das ich mir mit zwei Tansanierinnen und einer Sambierin teile – hier wird genau auf Geschlechtertrennung geachtet – treffe ich wieder auf Kommunismus Charme, aber alles ist sauber. Es gibt für jede Liege einen frischbezogenen Polster, ein Leintuch und eine Decke.

Ja, gibts da wo was gratis?
Nachdem die drei anderen Damen noch mehr dem Venus von Willendorf Figurbild zugetan sind als ich, melde ich mich freiwillig für den Bezug eine der oberen Liegen, nicht bedenkend, dass sich dort auch nachts die Hitze staut.

Aber bis dahin sitz ich am Fenster und an mir rauschen tausende Kameramotive vorbei. Mit der Sambierin, die perfekt Englisch beherrscht, verstehe ich mich prima, auch wenn ich ihr am nächsten Tag alles nochmal erzählen muss, weil sie nachts von heimtückischer Demenz heimgesucht wird.


Erholungsoasen nahe Dar
Die Tansanierinnen beeindrucke ich mit meinem gesamten Kiswahilivokabular und ich bin mir sicher, dass sie über mich während der ganzen Reise – in der Annahme, ich würde alles verstehen – nichts  Negatives gesprochen haben. Kann ich aber nicht mit Sicherheit sagen, hab ich ja nicht verstanden. Die Vermutung rührt eher daher, dass eine der beiden fast durchgehend schläft und somit nicht viele Worte von sich gibt oder entgegen nimmt. Und wenn, ists mir auch gleich.

Mama "Sambia" belegt das
Himmelbett unter mir
Die Landschaft präsentiert sich abwechslungsreich, mehrere Stunden nach der Abfahrt fahren wir durch dichten, grünen Wald, der schon fast an Urwald erinnert. Dann wird es langsam dunkel. Draußen wie drinnen. Denn Licht gibt’s hier nur nachts und wann genau Nacht ist, bestimmt der Zugchef.

Ich hab Hunger. In der ersten Klasse lassen sich die Mahlzeiten in das Abteil servieren, als ich aber das Hauptgericht des Tages – Hühnchen mit Reis oder Ugali – erfahre, bleib ich ausnahmsweise bei mitgebrachtem Knäckebrot mit Streichkäse, Tomaten, Oliven und Bananen zum Dessert.





Für ein bisschen Schatten
Während alle essen oder sich in den Speisewagen – der etwas unterproportioniert für diesen elendslangen Zug ist – drängen, suche ich mal die Wellnessoase des Zugs auf: jeder Wagon hat eine Toilette, wobei die vom Nachbarwaggon natürlich nicht funktioniert. Wasserspülung ist zwar technisch vorgesehen, funktioniert aber nicht. Daher hat man vorsorglich einen Rieseneimer mit Wasser daneben gestellt, damit doch jeder mit einem Becher selbst nachspülen kann. Die Idee ist an sich gut, nur hat der Erfinder vergessen, dass sich dieser offenen Eimer in einem sich bewegenden Objekt befindet, das auf Gleisen fährt, die wahrscheinlich ein halbes Jahrhundert alt sind. Aber so bleibt der Boden wenigstens schön sauber.

Lieblingsbeschäftigung der Männer
Auch für eine Dusche ist gesorgt, aus dieser ist aber sichtbar schon seit Jahrzehnten kein Wasser mehr gekommen. Genauso wie aus einem der beiden Wasserhähne. Dafür kommt aus dem zweiten so viel und so kräftig Wasser, dass er gleich die Dusche ersetzt.


Kurz vorm Sealous National Park
Die Entscheidung, meine Katzenwäsche so früh wie möglich anzusetzen, ist eine gute, denn kurz vor der „Nachtruhe“ (ein Begriff, denn ich heute noch äußerst amüsant finde), sind die Wassertanks leer und können erst wieder an bestimmten Bahnhöfen aufgefüllt werden.








In unserem Abteil wird punkt 22:00 das Licht abgedreht und es herrscht Ruhe, eine Wandlung, die mich komplett überrascht, denn die – tagsüber schlafende – Dame ist jetzt richtig wach und tauscht sich dementsprechend energisch und laut mit der anderen Tansanierin aus und ich sehe meine herbeigesehnte Einschlafphase schon in weite Ferne rücken.

Irgendein Bahnhof
Das mit dem Schlaf ist so eine Sache. Ich habe das Gefühl, minutenweise zu schlafen. Es ist unglaublich heiß und trotz offenem Fenster zieht kein Lüftchen zu mir rauf. Dann schrecke ich immer wieder auf, weil die Rüttelbewegungen des Zugs so intensiv werden, dass ich im Halbschlaf denke, wir entgleisen gleich.

Immer wieder in der Nacht hält der Zug an Bahnhöfen an und die Händler, die tags- und nachtsüber Waren an den Zugfenstern anbieten, kümmern sich nicht um Schlafenden. Wenn der Zug um drei Uhr nachts stehen bleibt, wird um drei Uhr nachts getrockneter Fisch verkauft. Basta.




Dennoch hab erwach ich morgens recht frisch und nachdem auch die dauerschlafende Tansanierin mal aufgewacht ist, verzieh ich mich wieder an meinen Fensterplatz im Parterre.
So wertvoll wie ein kleines Steak
Das Frühstück wird serviert, sättigt aber trotz deftiger Würstchen nicht wirklich. Eine Notfallsration Knäckebrot und Oliven helfen über den Hungertod hinweg.

Den gesamten Nachmittag ist der Zug damit beschäftigt, statt der durchschnittlichen 40km/h mit 20km/h die Bergkette im Westen des Landes zu erklimmen. Zwischendurch überfahren wir sehr zwielichtige Brückengestelle, wobei der Zug sicherheitshalber mal auf 10km/h runterbremst.
Brücke?
Die Aussicht ist toll, die Luft ganz schön kalt. Und alles ist – im Gegensatz zur trockenen Steppe, die wir hinter uns gelassen haben – in saftiges Grün getaucht.

Und entlang der gesamte Strecke winken uns Menschen zu, die entlang der Bahntrasse stehen, Kinder verlangen nach leeren Plastikflaschen, sie sie für ein bisschen Pfand einlösen. Der Zug scheint überall ein Highlight zu sein.





Flaschenkinder
In Mbeya steigen drei Mädels aus Deutschland und ein Bursche aus Schweden zu, die zufälligerweise das gleiche Ziel wie ich haben und sich nur zwei Abteile weiter gemütlich einrichten. Im Schlangestehen vorm Klo kommt man sich dann näher und ich werde quasi in ihr Abteil adoptiert.


Fast nur mehr zum Schlafen geht’s zurück auf meine Pritsche.



Hütten in Sambia werden anders
gebaut als in Tansania
Aber vor der Nachtruhe erreichen wir die Grenze. Der Übertritt geht erstaunlich schnell, es kommt ein Herr in Arbeitsmantel denn ich auf offener Straße eher zur Berufsgruppe der Facility Manager zugeschreiben hätte, in die Abteile, stempelt mal schnell den Pass ab, ohne wirklich genau zu schauen, ob es meiner ist, kassiert die 50$ Visum und ist nach 3 Min. wieder weg. Kein Fingerabdruckscann, kein langes Herumstehen. Schmerzlos.

Die zweite Nacht verläuft wie die erste, nur etwas kühler.

Viel Tschappi gibts da nimmer!
Der letzte Vormittag im Zug vergeht dank netter Mitreisender angenehm schnell und am Nachmittag mit nur 5 Stunden Verspätung erreichen wir Kapiri Mposhi, ein etwas verschlafen wirkendes Städtchen.

Hier hält der Zug, bevor er am nächsten Tag die Rückreise antritt.

Antiembolietraining im Zug.
Oder doch nur Probleme mit der
Schwerkraft?
Wir ergattern zu fünft einen kleinen Bus, der uns zum „Busbahnhof“ – ein großer Erdplatz umgeben mit Holzbuden und Verkäufern - der Stadt bringt. Hier erhoffen wir, einen der großen, bequemen Busse zu besteigen, der uns in gut drei Stunden nach Lusaka, der Hauptstadt Sambias, bringt.





Bahnhof Kapiri Mposhi.
Das soll alles nach Dar.
Hoffnungen sind etwas Schönes, aber auch sie schmelzen irgendwann, wenn man zwei Stunden in der prallen Sonne steht und jeder große Bus, der vorbei fährt, voll ist. Und hier sind die Busse schnell mal voll: Wenn der letzte Sitzplatz vergeben ist.

Hier wird das Verbot (das es auch in Tansania gibt) niemanden stehend zu befördern nämlich wirklich eingehalten.

Und auch sonst machen sich die ersten Unterschiede bemerkbar. Auf wen wir auch treffen, wer uns anspricht, tu dies in Englisch. In Sambia gibt es 72 verschiedene Stammessprachen, aber keine gemeinsame, sowie das Kiswahili für die Tansanier. Um sich untereinander zu verstehen, muss man also englisch sprechen, sonst wird man auf wenig Erfolg stoßen.
Auch Geschäfte, Werbeplakate, Beschreibungen sind auf Englisch.

Die Schweindln erleben hier
wirklich ihr (blaues) Wunder
Wir – inzwischen in einen kleinen Bus gekuschelt – genießen christliche Gottesanbetungsmusik auf dem kleinen Busfernseher und staunen darüber, dass es hier in jedem kleineren Ort einen „Shoprite“ Supermarkt gibt.

Auch wirken die Straßen besser und die Häuser massiver gebaut. Viele mit Veranda und bunt bemalen. Erinnert teilweise an amerikanische Westernstädte. Das Land bis Lusaka ist durchgehend flach und große Äcker mit mobilen Bewässerungssystemen und mit Traktoren bewirtschaftet. Alles Dinge, die mich mehr an westliche Länder erinnern, als an „Afrika“.

Und noch was erinnert an den Westen: Eine große (Fein)Staubglocke hängt über der Stadt.
So was fesches!
Und durchfährt ein (innerlicher) Aufschrei der angenehmen Art meinen Körper: Ein „Spar“ Supermarkt, neu und äußerlich fast wie in Österreich, ergötzt mein Augenlicht. Ich kann mein Bedürfnis, auszusteigen und mich in der Backwarenabteilung zu wälzen, gerade noch bändigen. Vielleicht ein andermal, jetzt stauen wir uns im Abendverkehr in die Megacity.


Bei Ankunft am Busbahnhof die nächste Freude: Karin, eine Studienkollegin, die seit einigen Jahren in Lusaka wohnt, holt mich ab. Ich werde zwar diesmal nur eine Nacht bei ihr übernachten, da morgen vormittag schon unser Bus nach Livingston fährt, werde aber bei meiner Rückreise einige Tage bei Ihr und ihrem Freund Simon verbringen, was sich als eines der Highlights meiner Reise herausstellen wird.
Ziemlich ruhig am Busbahnof
Der restliche Trupp verabschiedet sich für die Nacht ins Backpackers, sie werden morgen mit dem gleichen Bus zu den Victoria Fällen fahren.

Karin tischt lecker auf, während ich mir zwei Tage Zuggrind aus den Poren spüle. Dann werden noch fleißig Neuigkeiten ausgetauscht, das nette Haus und der schöne Kater Wilms bewundert und ich freu mich wieder auf eine Nacht auf einer richtigen Matraze. Und insgesamt merk ich schon an diesem ersten Abend bei Karin, wie gut es mir tut, wieder jemanden Bekannten zu treffen, mit der man eine gemeinsame Geschichte hat und sich toll versteht.
Irgendwo in Lusaka
Am nächsten Morgen – nach unmöglich zu bewältigendem Frühstück – habe ich die Ehre von Karin zum Busbahnhof chauffiert zu werden. Der Abschied ist ja nur ein begrenzter, bin ich doch in einer Woche wieder da.


Die Busfahrt zieht sich mit ihren sieben Stunden ungemein und die Ohropax scheuern mir den Ohrinnenraum auf. Wieder mal gibt’s christliche Musikvideos, als Draufgaben noch schlechtere Nollywood Filme (nigerianische Filmindustrie), nur ausnahmsweise in einer Lautstärke, die trotz Ohrstöpsel noch Tinitus verursacht. So verkrampft ich auch aus dem Fenster starre, ich weiß schließlich doch, dass der Ehemann aufgrund eines bösen Hexenzaubers untreu wurde und die Betrogene den Verstand verloren hat. Aber am Ende kommen sie aufgrund des starken Glaubens an Gott doch wieder zusammen.



Sorry, wenn ich Euch jetzt zu viel verraten hab!

Fortsetzung folgt….

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