Donnerstag, 1. Dezember 2011

The Smart Kids Gazette

Wahrscheinlich die erste Kinderzeitung, die es in Tansania gibt.

Und sicher die erste Kinderzeitung, die von Neunjährigen produziert wird.
 
Und hundertprozentig die erste Kinderzeitung, die von tansanischen Neunjährigen für tansanische Neunjährige unter meiner Anleitung produziert wurde. Soviel glaub ich zu wissen.






Wie schon mal erwähnt (und wie sicher noch detaillierter erzählt wird), hab ich eine eher unkreative Zeit, sinnvolles in den Einrichtungen der Rosmini Brothers zu tun. Entweder gibt es genügend Personal und meine Unterstützung würde in bestehende Prozesse nur eingreifen oder sprachliche Barrieren hindern.

Wenn "Tietscha" Petra fotografiert...
So wurde dann eher zufällig nach ein paar Stunden, in denen ich die Kinder in Englisch und Sachunterricht unterrichtet habe, als deren Lehrer auf Fortbildung waren ergeben, die Idee geboren, mit den Kindern der Primary School mal etwas anderes als Frontalunterricht auszuprobieren. Etwas was eher ungewöhnlich ist für das tansanische Schulsystem: Ein Projekt durchzuführen, das die Selbständigkeit, die Kreativität und die Teamfähigkeit der Kinder erproben und stärken soll. Weg vom auswendig lernen, weg davon, von der Tafel in Übungshefte abzuschreiben und aus Büchern zu lesen.
In der Redaktion
Die Idee „Smart Kids Gazette“ wurde geboren.
Nicht ganz neu für mich - fühl ich mich dabei ca. 16 Jahre zurückversetzt - in die Zeit meines Jungschargruppenleiterinnendaseins, wo es schon mal so etwas gab.

Mit simplen Mitteln – viele Möglichkeiten sind nicht vorhanden – sollen die 24 Schüler der 3.Klasse der Rosmini Pre und Primary School selbst über den Inhalt ihrer Zeitung abstimmen, Material zusammentragen, Interviews durchführen und so ein paar zusammengeheftete DIN A4 Zetteln gestalten. Alles ohne Computer und Tip Ex. Nur Papier, Stift, Heftklammern, Uhu und Hirn. Was man halt so braucht für eine Zeitung.

Die Note Books für die Teams
Mit Direktor und dem Oberlehrer vereinbare ich, mit den Kindern vier Wochen lang in etlichen Nachmittagsstunden zu arbeiten. Die (geringen) Kosten würde ich übernehmen, hab ich schließlich die Idee gehabt und niemand hat von mir verlangt, dies zu tun.
Ich erarbeite ein Konzept, das sofort angenommen wird und überlege einen Zeitplan. Unerwartet bekomm ich Unterstützung von Trine, einer norwegischen Volontärin, die in der Pre School mithilft.


Tietscha Petra in Action
Und dann geht’s los. Die Kinder verstehen – dank sehr gutem Englisch – recht bald, was sie zu tun haben und wir sind ganz begeistert über die kreativen Vorschläge für Artikel, die sie bei einem Brainstorming bringen.

Die Einteilung in Reporterteams verläuft dann etwas langwieriger, der Gruppendruck ist enorm und am Ende einer Projektsession habe ich drei Teams, die über Fußball schreiben wollen, drei Gruppen, die Netzball bevorzugen und immerhin zur Abwechslung ein Team, dass über Basketball schreiben will.

Verwirrende Reporter-
teameinteilung
Aber gut, ist ihre Zeitung. Ihre Entscheidung. Wird halt eine Sportzeitung. Hoch lebe deren Eigenständigkeit.
Da pfuscht mir leider ein Lehrer dazwischen, der den Sinn der Sache nicht verstanden hat und in meiner Abwesenheit eine neue Gruppeneinteilung vornimmt. Was ich leider erst später durchschaue, weil mir sie mir diese neue Einteilung als eigene Idee verkaufen.
Plötzlich gibt es Teams, die über „Die Arbeit meines Vaters“, „Märchen“ und „Bibelgeschichten“ schreiben wollen. Und selbst durch Nachfragen, ob das wirklich ihre eigene Entscheidung sei und diese Artikel schreiben wollen, bleiben sie bei dieser Gruppeneinteilung. Ein Junge erzählt mir schließlich in der Pause, dass ein Lehrer dahinterstecken würde.


Hochkonzentrierte
Mitarbeiter
Als ich den Lehrer später darauf anspreche, versteht er nicht, warum es ein Problem sei, dass die Kinder nicht selbst entschieden haben. Die Zeitung soll schließlich abwechslungsreich sein und da müsse man manchmal nachhelfen. Tansanisches Schulsystem halt.
Adieu Eigenständigkeit.

Dennoch scheint dieser Eingriff in mein Projekt dann aber keinerlei Auswirkungen auf die Motivation und Kreativität der Schüler zu haben. Sie haben viele Ideen und mit etwas Unterstützung wird ein Interview mit dem Direktor Father Francis arrangiert, eine tragische Unfallgeschichte und eine Mord erfunden, haufenweise Rätsel zusammengetragen, von denen ich die meisten bis heute nicht verstehe. Bald stellt sich heraus, dass die Kinder die Ausgewogenheit zwischen Blutrünstigkeit und Kitsch lieben. Ihre Zeitung, ihre Entscheidung.
 

Einige Teams bekommen übers Wochenende Aufgaben zu erledigen, Vorschläge, die ich mache.
Interview mit dem Direktor
Und was sie dann an Material bringen, ist hervorragend. Sehr fehlerhaft, aber wofür gibt’s Papier und Uhu? So werden Fehler einfach überklebt.

Das Lay Outing funktioniert fast reibungslos, jedes Kind gestaltet noch einen Buchstaben des Zeitungstitels und fertig ist das Prachtexemplar.
Ich verbringe einen halben Tag vor einem Uraltkopierer. Auch eine Erfahrung die man mal machen muss, damit man sagen kann: Ich habe gelebt!

Die Zeitung entsteht
Am Ausgabetag – ein Tag vor offiziellem Schulschluss – wird dann noch gewählt, welcher Artikel der Beste ist. Und die Autoren dafür belohnt.
Die Kids sind merklich stolz auf ihre Zeitung. Und ich auf sie, denn mit so viel Eigenengagement hätte ich nicht gerechnet.
Laut Lehrer könnte es eine Fortsetzung geben. Leider ohne mich und wahrscheinlich mit wenig – den Schülerinnen und Schüler zugetrauter – Eigenständigkeit, aber immerhin. Die Idee für ein Projekt wurde geboren.


 
Viel Spaß beim Ansehen der
Fotos und Filme
Übrigens: Nur 30 Exemplare gibt es. Hat quasi Seltenheitswert.

Marktwert? Wahrscheinlich unfinanzierbar für den Normalbürger!

Emotionalen Wert? Unermesslich!


Smart Kids eben!

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