Sonntag, 8. Mai 2011

Venedig - Oder: Bei Sonnenuntergang werfen selbst Gaggerlsackerl lange Schatten

(Hinweis: Durch Anklicken der Fotos werden diese groß!)

Venezianer sind sehr modebewusst!

Mit Venedig ist das so eine Sache.
Entweder man liebt es oder man findet es „Na ja, eh nett“.
Also ich liebe es! Meistens.

Manchmal etwas weniger:
Zum Beispiel, wenn das Parcours laufen zwischen den Hundstrümmerl allmählich die gesamte Konzentration und die Auge-Fuß-Koordination fordert.
Oder wenn ich Lust auf ein Eis bekomme, aber mich gerade in der Gasse befinde, in denen die Kugel € 1,50,-  kostet. In 100 m Luftlinie entfernt (in Venedig ein Halbtagesspaziergang) würde man mit € 1,- auch ans kalte Ziel kommen, ohne sich „abgezockt“ zu fühlen.
Oder wenn mir zum wiederholten Mal ein illegaler Straßenverkäufer eine ECHTE Gucci Tasche andrehen will. Als wenn ich wie eine Markentaschenbesitzerin aussehe!....



Mein Hauptnahrungsmittel

Meist lieb ich es aber sehr…
…weil der Aperolspritzer so schmeckt, wie er (leider) nur in Venedig schmeckt.
…weil die 47ste der überschrittenen Brücken einen Blick auf eine neue Perspektive hergibt.
…weil sich die trolleyziehenden Urvenezianer italienisch keifend einen Weg durch die Touristenmassen bahnen.
…weil man nach stundenlangem Umhergeirre plötzlich auf eine bekannte Gasse stößt und dann sagen kann: „Ach fad, das haben wir ja schon alles gesehen!“
…weil man andere Touristen beobachten kann, wie sie im gleichen Lokal übers Ohr gehauen werden, wie wir am Vortag und sich zur Schadenfreude auch die Erleichterung, dass wir nicht die einzigen Trotteln hier sind, einstellt.
…weil die verfallenen und bunten Häuser, Menschen aller Altersgruppen, unterschiedlichster Nationalität und verschiedenster Verhaltensweisen, die sich in den engen Gässchen und auf den vielen Brücken tummeln und das scheinbare Chaos auf den Kanälen ein Fest für die Sinne darstellt und eine unglaubliche Abwechslung bieten.
…und weil das Herumgeknutsche auf Brückenstufen stehend nackenschonender ist.
Brücke Nr. 47.895
2,5 Tage verbringen der Liebste und ich in Venedig. 2,5 Tage ungezügeltes … ähm … Sightseeing und Geldausgeben. Beides zwei der leichtesten Übungen dort.

Wir nächtigen im „Roten Zimmer“ der Casa Villa Gardenia, die in Mestre – eine Zugstation außerhalb Venedigs – vom Bahnhof nur ca. 200m entfernt in einer sehr ruhigen Straße liegt.
Die € 1,05,- pro Zugfahrt können wir uns gerade noch leisten. Ich spare im Gegenzug einfach beim Kauf von Gucci Taschen!
Da mache ich auch das erste Mal die Erfahrung, dass „booking.com“ nicht immer billiger sein muss... 
Schiffswerft
Schon am zweiten Tag am Bahnhof können wir den Fahrscheinautomaten am Bahnhof besser bedienen als so mancher Einheimische und kommen uns sehr cool vor.
Schön, wie leicht wir unser Ego aufmotzen können. Andere müssen dafür  – weiß Gott wie lange – Gewichte stemmen oder Doktortitel sammeln.
 
Das Durchschreiten des Bahnhofportals und der erste Blick auf das „typische“ Venedig ist jedesmal wieder eine Erfahrung, die mir Gänsehaut verursacht.
Könnte zwar auch am Luftzug liegen, aber bleiben wir mal romantisch. So wie es sich für Venedig gehört.

Unsere Casamama hat uns mit einem Stadtplan mit eingezeichneter „Walking Tour“ ausgestattet. Wir verlassen die Route jedes Mal nach ein paar Metern, aber halten als Orientierung die ungefähre Himmelsrichtung bei.
So kommen wir durch die unterschiedlichsten Stadtviertel. Modernere Wohnsiedlungen, Behördengebäude, enge und verschmutzte Sackgassen, breite Uferpromenaden, Schiffswerften, fast ident aussehende Kirchen und Parkanlagen. Nie hätte ich mir gedacht, dass Venedig so groß ist und so viele sehenswerte Ecken außer dem Markusplatz und der Rialtobrücke bietet.
Verlaufen kann man sich ja nicht. Das dafür aber ordentlich, wenn man dringenden Verdauungsprozessen nachkommen will oder der letzte Zug zurück nach Mestre gleich abfährt.

Gangs of Venice
Die einheimischen und touristischen Hundebesitzer haben sich weitergebildet und wissen, dass das Gaggerl ihres flohbestückten Lieblings in ein dementsprechendes Sackerl gehört. Ich bin zuversichtlich, dass die Erkenntnis, dass man dieses Sackerl dann in einer Mülltonne entsorgen kann, auch noch irgendwann Einzug hält.
So hält sich der Hindernislauf um Hundsgaggerl herum die Waage mit dem Hindernislauf um Hundsgaggerl im Sackerl. Abwechslung ist das halbe Leben!

Die Preisunterschiede in Lokalen und Geschäften im Vergleich zur „Touristenmeile“ sind enorm.
Anstellen zum "Papst schauen"
 Ein Kaffee an der Bar um € 1,- oder ein Aperolspritzer (damit geht man schon fast als Italienerin durch) um € 2,50,- sind weit weg von den Massen keine Seltenheit und trotz fehlender Italienischkenntnisse unsererseits und Englisch- bzw. Deutschkenntnisse der Bedienung schaffen wir es doch jedesmal, genau diese Getränke zu bestellen – und auch zu bekommen.
Mein spanisches (in das ich in meiner Einheimischensprachsprechwut nach ein paar Aperolspritzer falle) „Gracias“ wird mitleidig lächelnd akzeptiert und „Si“ und „No“ sind ja gottseidank dem Spanischen gleich. Somit ist schon fast eine Alltagskonversation möglich.
(Bin ja gespannt, wie das mal wird, wenn ich in Kiswahili besser werde…)

Die Pizza schmeckt in Österreich eindeutig besser und kostet dafür in Venedig nur doppelt soviel, aber mit den Spaghetti Aglio e Olio kommen die Italiener schon recht nahe an mein eigenes Rezept ran. Wenn ich dann besser Kiswahili oder Spanisch spreche, werde ich sie mal in mein Geheimnis einweihen.
Dass wir in Österreich Weintrauben- und Apfelstrudeleis haben, sag ich ihnen lieber nicht. Ich will sie ja nicht ganz demotivieren. Ihr Vanilleeis ist eh hervorragend. Und wenn sie dem Nutellaeis noch Nutella zufügen, dann sind sie auch bei der Rezeptkreativität ganz vorne dabei.

Neopren Man im Vordergrund
bewacht Papst Man im Hintergrund
 So laufen und essen und laufen und schauen wir, rielecksen in Cafes oder an der Promenade, bekommen Stirnsonnenbrände (Wer kommt schon auf die Idee, im Frühsommer am Meer eine Sonnencreme mitzunehmen?), betuckern mit der Vaporetti Linie Nr.1 den Canal Grande und sehen im Vorbeifahren auch mal dem Papst auf das Schulterblatt.

Letzgenannter muss sich mit seiner Gefolgschaft natürlich ausgerechnet unser Wochenende für einen Venedigabstecher aussuchen. Hätte ja vorher nachfragen können!
(Zuviele Promis verträgt keine Stadt und wir waren zuerst da!)

Naja, wenn er schon mal da ist, der Papa, dann setzen wir halt „Papstschauen“ mit auf die Sehenswürdigkeitenliste und reihen uns brav am Canal Grande auf, um ihn vorbeischippern zu sehen. Protestantisch und Nichtkatholisch veranlagt, können wir dem ganzen Spektakel ganz undemütig folgen. Können Fotos statt Kreuzzeichen machen und trotzdem in den Himmel kommen. Oder ins nächste Leben. Als Almo Rind. Oder Investmentberater. (Ich geb Euch dann Bescheid!)

Jaja, der Neid...
Wie jeder Urlaub geht auch dieser vorbei, was zwar einerseits schade ist, da wir noch nicht über alle Gaggerlsackerl gesprungen sind und noch keinen Alkohol jenseits der € 11,- konsumiert haben, andererseits aber danken es mir meine Blasen an den Zehen, die jetzt schon den gesamten Wasserhaushalt meines Körpers gespeichert haben.

Uns fällt der Unterschied zwischen dem fernsüdlichen Italien und der nordischen Steiermark erst jetzt so recht auf, als wir in Italien bei 26° Lufttemperatur ins Auto und vier Stunden später in Österreich bei 6° wieder aussteigen. Nur die Hundstrümmerl sind überall gleich.



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